2006/12/18

Hakoah - viennablog 18.Dez.2006

Die Hakoah kehrt heim in den Prater

Der Bau des Hakoahzentrums in Wien Leopoldstadt schlägt ein neues Kapitel im Leben der jüdischen Gemeinde auf. Das FH-Magazin sprach mit Ehrenpräsidenten Erich Sinai.

Wien - "Es fehlen uns noch zweineinhalb Millionen Euro zur Aufrecherhaltung des Schwimmbads", erklärt Hakoah-Urgestein Erich Sinai im Gespräch mit dem FH-Magazin. Auf 20.000 Quadratmetern entsteht im Wiener Prater mit einem Sportclub, einer jüdischen Schule und einem Altenheim das größte jüdische Zentrum Europas. "Es war ein langer Weg. Ich habe ehrlich gesagt nicht mehr an eine Rückkehr der Hakoah in den Prater geglaubt. Auf jenen Platz, auf dem ich schon in den 30ern Handball gespielt habe“. Die Geschichte des traditionsreichen Sportclubs Hakoah (hebräisch: Kraft) spiegelt auch das Schicksaal der Wiener Juden im 20. Jahrhundert wider. „Vor 1938 lebten rund 200.000 Juden in Wien, nach dem Krieg 1945 waren es nur mehr 5.000, heute zählt die Israelitische Kultusgemeinde noch 7.500 Juden", erzählt Langzeit-Hakoah-Präsident Sinai. Doch Antisemitismus gab es in Österreich bereits vor 1938, was mit ein Grund für die Gründung eines jüdischen Sportvereins im Jahr 1909 war.




Erich Sinai war von 1959 bis 1989 Präsident der Hakoah/
foto gantner

Der muskelschwache Jud
Damals sollte mit dem Bild des schwächelnden Juden aufgeräumt werden, was den Sportlerinnen und Sportlern der Hakoah auch durchaus gelang, die blau-weiße Klubfahne wurde mit Stolz getragen. Der Verein brachte es zu einer großen Zahl österreichischer Titel und Teilnahmen an internationalen Bewerben in allen möglichen Sportarten. Legendär die Erfolge der Schwimmerinnen, denen 2004 mit "Hakoah Lischot" ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. Aber auch die Fußballmannschaft konnte Erfolge feiern. In der Saison 1924/25 wurde sie österreichischer Meister und erreichte im Jahr zuvor, was noch keiner österreichischen Fußballmannschaft bis dahin gelungen war: ein Auswärts–Sieg gegen ein englisches Team (Westham United).

Politischer Widerstand
In der Hakoah fand auch politischer Widerstand statt. Als sich die Hakoahnerinnen Ruth Langer, Judith Deutsch und Lucie Goldner weigerten, an der Olympiade 1936 in Berlin unter dem Hakenkreuz teilzunehmen, wurden sie vom österreichischen Schwimmverband lebenslang gesperrt – das Urteil wurde nach 1945 nicht revidiert. "1938 wurden die Vereinsstätten der Hakoah arisiert", erzählt Sinai. Sinai gelang es, zunächst nach Riga zu entkommen. Kurz bevor die deutsche Armee in Lettland einmarschierte, wurde er - obwohl von seinen eigenen Landsleuten verfolgt - als deutscher Staatsangehöriger von den Sowjets in ein Arbeitslager nach Kasachstan verschleppt. Sinai kehrte nach Wien zurück und mit ihm 5.000 Juden. Es dauerte nicht lange und die Hakoah wurde wieder gegründet. "Doch uns fehlte das Geld, um den Platz im Prater wieder aufzubauen", so Sinai.


Markus Rogan (beiger Mantel) und Erich Sinai (ganz r.)/
foto:hakoah.at

"Eine neue Ära der Hakoah"
Es sollte noch bis 2005 dauern, 60 Jahre nach Kriegsende, ehe das Grundstück der Hakoah auf Basis des "Washingtoner Abkommens" von 2001 restituiert wurde. Hakoah-Präsident Karl Haber brachte es anlässlich der Grundsteinlegung auf den Punkt: "Österreich hat versagt", zu viele könnten die Rückerstattung nicht mehr miterleben, auch aus Sinais alter Mannschaft "lebt heute niemand mehr". Dennoch "glauben wir, dass mit diesem Projekt die Nachkriegszeit ein Ende gefunden und die jüdische Gemeinde wieder einen angemessenen Platz bekommen hat", so Haber. Auch Sinai sieht eine "neue Ära der Hakoah" heranbrechen. Sinai kann die Sorge mancher Mitglieder der jüdischen Gemeinde nicht teilen, wonach den Juden wieder eine Ghettoisierung drohe. „Ich freue mich, dass an einem Ort Menschen verschiedener Generationen zusammen sein können“.



Ein in dieser Größe in Europa einzigartiges Projekt/
foto: hakoah.at