2007/12/07

Meister Proper am Puls

"Falter" Nr. 49/07 vom 05.12.2007 Seite: 24
Ressort: Medien

Martin Gantner und Barbara Tóth



PORTRÄT Thomas Rottenberg ist PulsTV-Moderator, "Standard"-Kolumnist, Stadtmensch und bald Moderator einer neuen Wochenschau. Wie kaum ein anderer beherrscht er das Infotainment-Geschäft.


fotots: www.pulstv.at

Thomas Rottenbergs Hund ist ein Jahr alt und heißt Pinsel. Der schwarz-weiße Labrador-Retriever-Münsterländer Mischling ist dauernd in Bewegung, wie sein Herrl. Die Kellnerin im Café Schottenstift bringt ihm eine Schale Wasser, er trinkt hastig, dreht sich um und taucht seinen Schwanz hinein. "Er hat eine hochpubertäre Phase", entschuldigt Rottenberg seinen nervösen Begleiter. Für ihn gilt diese Ausrede nicht mehr. Rottenberg ist 38, doch gesetzt wirkt auch er nicht.

Der sommersprossige Mann, dessen kahlrasierter Kopf zum Markenzeichen wurde und der gerne jenen urban-lässigen Kleidungsstil pflegt, der auch in Berlin-Mitte oder im Hamburger Schanzenviertel die Berufsjugendlichen auszeichnet, scheint unter ständigem Stress zu stehen. Rottenberg hat sich in den letzten zwanzig Jahren ein kleines Ich-AG-Imperium aufgebaut. Unter seiner Dachmarke agiert er als Standard-Gesellschaftskolumnist ("Rottenbergs Boulevard") mit distanziert-spöttischem Blick, als erfolgreicher PulsTV-Moderator der Sendung "Talk of Town" und als Buchautor mit Hang zu Genderthemen ("Die Männerwaschanleitung", "Das Männerverstehbuch").

Demnächst wird sich das Portfolio des bekennenden Narziss ("Eitelkeit ist in meinem Job hilfreich") noch erweitern. Ab 4. Februar moderiert er einmal in der Woche einen einstündigen, politischen Wochenrückblick auf seinem Heimatsender PulsTV, der dann Puls4 heißen wird. Hinter dem Namen steckt Programm. Der ambitioniert gemachte, aber wenig beachtete Stadtsender, der im Sommer an die zu Pro7 gehörige Seven-One-Media verkauft wurde, möchte zum vierten Vollprogramm Österreichs werden. Rottenbergs Wochenschau muss es dann theoretisch mit so prestigeträchtigen Sendungen wie "Im Zentrum", "Thema" oder "Report" aufnehmen. Gesendet wird live, im Gegensatz zu "Talk of Town" ohne Zuseheranrufe, dafür mit mehreren Studiogästen und zugespielten Beiträgen. "Ich will nicht zu sehr entertainisieren, sondern politische Themen konsumierbar machen", umschreibt Rottenberg das Programm für sein neues Programm.


Ein Satz, der ganz gut erklärt, wie die bisherige Karriere Rottenbergs funktionierte. Der Sohn eines Wiener Lehrerpaares verstand es immer, U- und E-Journalismus zu kombinieren, lange bevor der Begriff "Infotainment" dieses Phänomen klassifizierte und Gestalten wie Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser die Grenzen zwischen politischer Berichterstattung und Seitenblicke sprengten.

Rottenberg begann beim Hörfunk, zu einer Zeit, als es den Sender FM4 noch nicht gab und sich intelligentes Jugendradio auf Ö3 in Formaten wie "ZickZack" oder "Musicbox" abspielte. Nach einem Zwischenspiel beim Redaktionsbüro Langbein & Skalnik, wo er unter anderem für RTL Explosiv Geschichten lieferte, wechselte Rottenberg zum Falter, wo er mit seinem Partyservice den Grundstein für sein Szenemensch-Dasein legte. Seit 1999 schreibt er für den Standard, zuerst für die Innenpolitik, wo aber seine Art des Beobachtungsjournalismus nicht funktionierte, nun in seiner - mehr oder weniger von ihm selbst erfundenen - Rolle als Gesellschaftskolumnist wider Willen. "Der Umgang mit der High Society ist ungefähr so wie der Umgang mit Pornografie: Kein Mensch kauft das Zeug, aber gleichzeitig steht eine Megaindustrie dahinter."

"Thomas war nie der beinharte Faktenaufreißer, aber er hatte immer ein Gespür für intelligente Stadtgeschichten", erinnert sich Oliver Lehmann, einst Falter-Politik-Redakteur, heute für die Kommunikation der Elite-Uni in Gugging verantwortlich. "Ihn zeichnen extreme Neugier, Beharrlichkeit und der unbedingte Drang, die Dinge vor Ort zu erleben, aus", meint FM4-Moderator Martin Blumenau, der Rottenberg aus seinen Anfangsjahren beim Radio kennt.

Vor Ort, das hieß beispielsweise, dass sich der junge Rottenberg an den Polizeisperren vorbei zu den Punks durchkämpfte, die ein Haus in der Ägidigasse besetzt hatten. Oder dass er türkischen Jugendlichen nachfuhr, die aus Österreich in ihre Heimat abgeschoben worden waren. Oder mit dem Häfenpoeten Jack Unterweger die Strizzis des Wiener Rotlichtviertels aufsuchte, um eine Milieureportage zu schreiben. Unterweger war damals noch nicht wegen neunfachen Mordes verurteilt.

Rottenberg-Geschichten sind immer auch solche, in die er sich persönlich involvieren kann. Er ist das personifizierte Gegenteil eines Schreibtischtäters, seine Bereitschaft zur Selbstdarstellung ging einmal sogar so weit, dass er sich fast nackt aufs Falter-Cover heben ließ - nur ein Marihuana-Blatt bedeckte seinen Mannesstolz. Über seine Motivation gehen die Meinungen auseinander, mit ein Grund dürfte gewesen sein, dass seine "Redakteursseele nicht mehr in einer schmächtigen, schmalbrüstigen Gestalt haust", sondern im muskelbepackten Meister-Proper-artigen Körper eines Metrosexuellen ihre neue Bleibe gefunden hatte. "Rottenberg als Skulptur seiner selbst", witzelte damals Falter-Chefredakteur Armin Thurnher im Vorwort. Das Wort metrosexuell gab es damals noch nicht, der creme- und peelinggläubige Rottenberg, der seinen nach wie vor covertauglichen Körper mit Schwimmen, Laufen und Skitourengehen fit hält, hätte es sicher gerne erfunden. Inzwischen würdigte ihn auch News als einen der "modischsten Moderatoren" Österreichs. Rottenbergs Kommentar: "Persönlich bedeutet mir das nichts, aber marketingstrategisch ist das nicht schlecht." Dass seine derzeitige Talkshow bis zu achtmal pro Tag wiederholt wird, tut ein Übriges. So oft wie Rottenberg flimmern auf anderen Sendern nur die Werbeblöcke über den Bildschirm. "Für die persönliche Eitelkeit ist das super."

Je näher dem Stadtrand, desto öfter wird "Rotte", wie ihn Freunde nennen, auf seine Sendung angesprochen. "Daran sieht man, wo viel geschaut wird und wo nicht."

Den Stadtrand kennt er gut. Rottenberg wuchs am Wienerfeld in Wien-Favoriten auf, "genau dort, wo die Nachteile der Stadt und des Landes aufeinandertreffen". Sein Vater musste als Jude vor den Nazis zuerst nach Frankreich flüchten, emigrierte dann nach Palästina und kam als Soldat der englischen Armee zurück nach Wien. Er wurde Direktor der ersten Wiener Gesamtschule und war ein "in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat" (Rottenberg). Der Großvater mütterlicherseits war überzeugter Hitleranhänger - "eine klassische österreichische Mischung also".

Der gehobene gesellschaftspolitische TV-Talk, wie er ab Februar auf Puls4 zu sehen sein wird, ist vermutlich auch die Darstellungsform, die Rottenbergs journalistischer Herangehensweise am besten entspricht: Hier werden Themen auf einer persönlichen, emotionalen Ebene abgehandelt, ohne dass man zu sehr ins Detail gehen muss. Hier geht es um prägnante Einschätzungen und um Schlagfertigkeit und Wortwitz - beides hat Rottenberg. "Fernsehen ist ein latent dummes Medium. Du musst immer platt sein, um verständlich zu bleiben", meint er ganz pragmatisch. Und es geht um den Flirt mit der Kamera und um die Bereitschaft zur augenzwinkernden Selbstdarstellung. Auch das kann er. "Ich finde es gut, dass er den Weg zurück von der Wiener Szenefigur hin zum guten Journalisten gefunden hat", meint Regisseurin Elisabeth Scharang, die so wie Blumenau gemeinsam mit Rottenberg bei der "Musicbox" war.

Viele Journalisten wundern sich, warum der ORF ihn nicht schon längst für eine Talk-Show angefragt hat. Rottenberg sagt, er treffe oft Kollegen vom "ORF", die zugeben würden: "Wir schaffen es nicht, so eine Sendung auf die Beine zu stellen." Er glaubt den Grund hierfür zu kennen: "Aufgrund ihrer Größe trauen sie sich nicht, etwas ganz Einfaches zu machen. Stattdessen sitzen sie fett und aufgeblasen und von ihrer eigenen Wichtigkeit gelähmt am Küniglberg."


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