2009/11/24
Fozzy´s Tour
Die FPÖ hat den Wiener Wahlkampf eröffnet und fährt mit einem blauen Bus durch den Gemeindebau. Franz Haas sitzt am Steuer. Was treibt ihn an?
Porträt für Falter
Fozzy will Bezirksvorsteher von Meidling werden. Nicht jetzt, aber vielleicht in fünf Jahren, wenn Heinz-Christian Strache als Bürgermeister Wien regiert. Fozzy weiß, dass es so kommen wird. Er kennt die Leute in der Stadt, glaubt zu wissen, worüber sie reden und worunter sie leiden. Fozzy, bürgerlicher Name Franz Haas, ist Bezirksrat der FPÖ in Meidling und Frontsoldat der FPÖ. Seit einigen Monaten steuert er den blauen Gemeindebaubus durch die Bezirke. Der Bus ist in jenem Blau gehalten, mit dem Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf für Hoffnung warb. Seit Wochen kurvt er durch die Bastionen der Roten. In Innenhöfen der Gemeindebauten klappt er Infostände und dunkelblaue Sonnenschirme auf, verteilt Flugblätter, Feuerzeuge und Kugelschreiber. Er führt Gespräche und macht Notizen.
Fozzy hört abenteuerliche Geschichten Von geschächteten Tieren in den Waschküchen und gebratenen Hammeln auf den Balkonen der Gemeindebauten. Nach einem Monat auf Tour sagt er: „Die Leute fühlen sich von der SPÖ verraten.“ So wie er selbst.
Die Zeit, als Bürgermeister Michael Häupl solche Funktionäre belächelte, ist längst vorbei. Heute fürchten die Roten die Fozzys, ihre Busse und die Notizblöcke. Denn die Sozialdemokraten haben bundesweit fünf Wahlen in Folge verloren. Häupl hat daher längst die eigenen Funktionäre auf die Reise geschickt, integrationspolitische Schwerpunkte gesetzt, den Gratiskindergarten eingeführt und eine Volksbefragung angekündigt. Den Wienern will er ihre Hausmeister zurückgeben – als Ansprechpartner für die Unzufriedenen. Schließlich droht Strache ein Jahr vor der Wienwahl, an Erfolge der Haider-FPÖ aus den 90er Jahren anzuschließen. Damals erhielten die Wiener Blauen knapp 28 Prozent der Stimmen. Vor allem in den Arbeiterhochburgen liefen Genossen scharenweise über. Zuletzt waren sie 2005 auf 14,8 Prozent gefallen. Damals lag die FPÖ nach ihrem Sonderparteitag in Knittelfeld und der Abspaltung des BZÖ am Boden. In der Opposition scheint die Partei nun aber langsam zu alter Stärke zurückzufinden – im Bund und in den Ländern. Es sind die Stimmen der Arbeiter, der Geringverdiener, der Pensionisten und sogar mancher Zuwanderer, die Strache gewinnt. Aber nicht nur.
Auch die Fozzys wählen Strache Jene Mittelschicht, die von den Vorzügen des roten Wien profitiert hat. Aufsteiger, die sich vor dem Aufstieg anderer fürchten. Fozzy, der 43-jährige Grafiker mit Genossenschaftswohnung in Meidling und Chevrolet Camaro in der Garage, ist also mehr als nur ein blauer Funktionär. Der Mann mit Pferdeschwanz hat mit rechten Parolen auf den ersten Blick nicht viel zu tun. Er verkörpert ein anderes Phänomen, das den Roten Kopfzerbrechen bereitet. Denn sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Angst der Mittelschicht just in Bezirken wie Floridsdorf besonders groß zu sein scheint, also in Gegenden, die von starker Einwanderung bislang verschont blieben. Was treibt Leute wie Fozzy also an?
Wieso würde ihn nichts mehr freuen als die Niederlage der Wiener Sozialdemokraten? Es ist Donnerstag, und Fozzy steht am Rande der vor wenigen Jahren fertiggestellten Kabelwerksiedlung im zwölften Bezirk. Den blauen FPÖ-Anorak hat er abgelegt. Er trägt ein blau-weiß gestreiftes Hemd mit gestärktem Kragen, darüber eine Lederjacke. Die Sonnenbrille hat er selbst dann im Haar, als es auf den Straßen längst dunkel geworden ist. Er zeigt Richtung Westen, hinüber zu den alten Reihenhäusern, die noch grau in grau aufgefädelt vor ihm liegen. Sie zeugen von vergangenen Zeiten. Lange wohnten hier die Arbeiter der Kabel- und Drahtwerke AG, ehe das Unternehmen in den 90er-Jahren an Siemens verkauft und der Standort aufgelassen wurde. Das Kabelwerk war 100 Jahre lang einer der bedeutendsten Betriebe Meidlings und wichtigster Arbeitgeber des Bezirks. „Früher“, sagt er, „haben hier alle SPÖ gewählt. Diese Zeiten sind vorbei.“
Dort, wo sich die Werke einst befanden, stehen heute eine moderne Siedlung mit geförderten Wohnungen für Jungfamilien, ein Kulturzentrum und ein Studentenheim mit Swimmingpool auf dem Dach. Alles hier wirkt neu und sauber. Die Arbeiter von einst sind jungen Angestellten gewichen. In den Erdgeschossen der Häuser reihen sich Geschäfte, Hundesalon, Trafiken und kleine Restaurants aneinander. Auch Fozzy lebt seit zweieinhalb Jahren hier, in jenem Teil des Areals, den die Bewohner wegen der vielen bunten Blöcke „Mickymaussiedlung“ nennen. Mit dem grauen Einerlei der Gemeindebauten hat diese Wohngegend nichts gemein.
Fozzy ist dennoch wütend. Er führt durch die Kabelwerksiedlung wie ein Bürgermeister durch seine Stadt. Er sei der Kabelwerkbeauftragte seiner Partei, sagt er. Viele Anrainer kennen ihn. Das hat einen Grund: Kaum war der letzte Mietvertrag vor zweieinhalb Jahren unterschrieben, „tauchten über Nacht 140 Schwarzafrikaner im Studentenheim auf“. Kurze Zeit später kamen 200 türkischstämmige Studenten hinzu. Der blaue Bezirksrat hatte damals heftig gegen die „Afrikaner- und Türkenbelagerung“ mobil gemacht, und auch die Kronen Zeitung berichtete über die Asylanten des Flüchtlingsvereins Ute Bock, die die „Luxusappartements“ in Beschlag genommen hätten. „Das muss man sich vorstellen“, ärgert sich Fozzy noch heute, „140 Asylanten im Swimmingpool mit Ausblick über das Wiener Becken bis hin zum Schneeberg.“
Drogendealer, Einbrecher, Vandalen – sie alle hätten in dieser Oase Einzug gehalten. ORF-Moderatorin Barbara Stöckl kam, um zu vermitteln. Die Sendung wurde in der Kabelwerksiedlung aufgezeichnet. Gesendet wurde das Material jedoch nie. Fozzy sagt, seine Leute hätten Stimmung gemacht. SPÖ-Integrationssprecher Omar al Rawi meint, die Blauen seien bei der Diskussion völlig untergegangen. So oder so, zweieinhalb Jahre später leben nur noch 40 Schwarzafrikaner in dem Studentenheim. Die Situation hat sich beruhigt. Fozzy könnte zufrieden sein. Doch er ist es nicht.
„Die Funktionäre an der Basis sind motiviert“, sagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl angesichts der vielen Fozzys in den Bezirken. Er sitzt im freiheitlichen Parlamentsklub an der Wiener Ringstraße. Kickl führt die Funktionäre in die von ihm ausgerufene und choreografierte Schlacht um Wien. Fozzy nennt ihn „das Hirn von Strache“, den zentralen Strategen der Partei. Immer wieder blickt er auf seinen Pulsmesser am rechten Handgelenk. „Wir müssen mit unseren Kräften haushalten“, sagt der frühere Redenschreiber Jörg Haiders und nunmehrige Wahlsloganschöpfer der Bundes-FPÖ. Sprüche wie „Pummerin statt Muezzin“ oder das Plakat „Daham statt Islam“ gehen auf sein Konto.
Kickl ist erneut dabei, den Wahlkampf minutiös zu planen und vorzubereiten. Die Strategie sei weitestgehend ausgearbeitet. Anfang Jänner soll eine Zentrale in der Bartensteingasse bezogen werden. Ein Team, bestehend aus Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum, Harald Vilimsky, Landesparteisekretär Hans-Jörg Jenewein und Kickl selbst, wird dann versuchen, die SPÖ vor sich herzutreiben.
Wird es Überraschungen geben? Wird Strache wie im EU-Wahlkampf wieder ein Kreuz in die Menge halten, um gegen die Islamisierung zu punkten? Oder wird er, so wie Susanne Winter in Graz, die Muslime verhöhnen?
„Um eine Klinge scharf zu halten, muss man sie hin und wieder wetzen“, sagt Kickl. Doch auch er weiß, dass die radikalsten Wahlkämpfe nicht immer die fettesten Gewinne bringen, zumal dann, wenn die Sozialdemokraten, wie bei der letzten Wiener Wahl, hart zurückschießen. Zu viel Extremismus, das wissen auch die Blauen, mobilisiert das rote Lager.
„Die Inhalte bleiben dieselben“, sagt daher ein blauer Funktionär, „aber der Ton wird moderater. Wenn wir Strache plakatieren, weiß mittlerweile sowieso jeder, was gemeint ist.“ Die FPÖ wolle ein breiteres Wählerpotenzial ansprechen und die SPÖ in ihrer Kernkompetenz, der Sozialpolitik, beschneiden. Nicht nur die Modernisierungsverlierer will man erreichen, sondern auch die Mittelschicht, die ihren Wohlstand durch „Türken und Schwarzafrikaner“ bedroht sieht.
Als Fozzy sein Stammbeisl, das Cup & Cini, an diesem Abend betritt, rufen ihn die Leute an der Bar sofort zu sich. Es ist ein kleines, sauberes Lokal. Der Nichtraucherbereich ist verwaist. Die wenigen Gäste drängen sich an den Tresen. „Das ist meine kleine blaue Hochburg“, sagt er voller Stolz. Die meisten würden seinetwegen freiheitlich wählen. Das gelte für die Kellnerin aus China, für den Geschäftsführer aus dem Iran und den serbischen Stammgast. Er begrüßt sie alle und andere mehr, klopft ihnen auf die Schulter, bringt sie zum Lachen.
„Ich bin kein Ausländerfeind“, beteuert Fozzy. Auch drüben in der Mickymaussiedlung würde er sein Stockwerk mit Bosniern, Albanern und Asiaten teilen. Das funktioniere einwandfrei, versichert er. Probleme würden nur „die Türken“ in den Gemeindebauten machen. „Die Präpotenz der Türken ist ein Wahnsinn.“ Nur sie würden ihre Flaggen aus dem Fenster hängen. Nur Türken würden „uns“ verachten. „Und warum? Weil wir Schweinefleischesser sind.“
Die Schwarzen am Pool und die Türken mit den falschen Flaggen am Fenster – sie sind es, die Fozzy fürchtet. Oft spricht er von denselben Problemen, die auch rote Funktionäre hinter vorgehaltener Hand ins Treffen führen – von Leuten, die sich die Rezeptgebühren nicht mehr leisten können, von unbezahlten Überstunden und Spannungen im Gemeindebau – doch für all diese Probleme kennt der 43-Jährige nur eine Lösung: „Österreicher zuerst.“
Zuerst, sagt Fozzy, sollen „alle Österreicher“ eine Wohnung bekommen. Sie sollen sich die Heizung leisten können und genug zu essen auf ihren Tellern haben, bevor „Gutmenschen wie Frau Bock Asylanten eine Wohnung geben können“. Für die SPÖ könnte es schwer werden, wenn sie ihren Funktionären keine ähnlich einfache Antwort mit auf ihre Bustour geben kann.
Noch bis Mitte Dezember wird er mit seinem Bus durch die Gemeindebauten touren, den Leuten zuhören und sein „Österreicher zuerst“-Rezept aufkochen. Wo er sich in fünf Jahren sieht? Er wolle Bezirksvorsteher werden, wiederholt er. Als Erstes würde er das stillgelegte Meidlinger Tröpferlbad wiederbeleben. Dann das Gleisdreieck nahe der Kabelwerksiedlung bewalden. Und wenn das getan ist, sagt Fozzy zum Abschied, „würde ich Frau Bock in unserem Bezirk das Handwerk legen“.
Zum Thema
Meidling
Seit zwei Jahren ist Haas einer von neun blauen Bezirksvertretern in Meidling. Der zwölfte Bezirk hat 86.000 Einwohner und einen Ausländeranteil von 21,6 Prozent.
Als Arbeiterbezirk ist Meidling eine klassische SPÖ-Hochburg. In den 90ern überholten die Blauen die ÖVP und brachen die absolute Mehrheit der Roten. Bei den Gemeinderatswahlen 2005 war die FPÖ wieder deutlich schwächer, konnte den zweiten Platz jedoch halten
Pressekolumne
Wie gedruckt
Kritischer Journalismus schön und gut, aber auch das gehört einmal gesagt: Immer nur Politiker dögeln ist nicht fein. Einen Monat vor Weihnachten startet der News-Verlag daher eine Politikerwohlfühlkampagne. News schreibt „So k.o. sind Pröll und Co“ und zeigt einen Vizekanzler, der sich nach dem Ministerrat zu übergeben scheint. Termin- und Medienterror, dazu Feinde im Überfluss. „Wirklich offen sprechen nur Ehemalige.“ Und da Landeshauptmann Erwin Pröll noch aktiv ist, spricht Gattin Sissi über ihren „gottbegnadeten“ Erwin: „Wenn er zuhause ist, spürt man keinen Stress.“ Einen offenen Umgang mit dem Thema pflegt Politrentner Josef Kalina (SPÖ). Er spricht von Existenzangst und Dauerkritik. Und wozu? Aufmerksamkeit, sagt Kalina. „Was macht mehr Spaß als das Gefühl: Ich bin ein Star?“ Das hat auch profil-Chef Christian Rainer erkannt: „All das Leiden eines Politikers (oder Chefredakteurs?) also nur fürs Wichtigsein, für Applaus, Schlagzeile und Seitenblicke? In den meisten Fällen ist es so.“
Kritischer Journalismus schön und gut, aber auch das gehört einmal gesagt: Immer nur Politiker dögeln ist nicht fein. Einen Monat vor Weihnachten startet der News-Verlag daher eine Politikerwohlfühlkampagne. News schreibt „So k.o. sind Pröll und Co“ und zeigt einen Vizekanzler, der sich nach dem Ministerrat zu übergeben scheint. Termin- und Medienterror, dazu Feinde im Überfluss. „Wirklich offen sprechen nur Ehemalige.“ Und da Landeshauptmann Erwin Pröll noch aktiv ist, spricht Gattin Sissi über ihren „gottbegnadeten“ Erwin: „Wenn er zuhause ist, spürt man keinen Stress.“ Einen offenen Umgang mit dem Thema pflegt Politrentner Josef Kalina (SPÖ). Er spricht von Existenzangst und Dauerkritik. Und wozu? Aufmerksamkeit, sagt Kalina. „Was macht mehr Spaß als das Gefühl: Ich bin ein Star?“ Das hat auch profil-Chef Christian Rainer erkannt: „All das Leiden eines Politikers (oder Chefredakteurs?) also nur fürs Wichtigsein, für Applaus, Schlagzeile und Seitenblicke? In den meisten Fällen ist es so.“
2009/11/20
ein kleines dickes meerschwein outet sich
ich prangere mich an.
name: martin gantner
beruf: falter-journalist
mein vergehen:
eine kurzmeldung über die verleihung des wolfgang-lorenz-gedenkpreises, bei der kollegin ingrid brodnig in der jury vertreten war (s.u.)
meine geschichte mit dem bislang stärksten feedback:
eine kurzmeldung über die verleihung des wolfgang-lorenz-gedenkpreises, bei der kollegin ingrid brodnig in der jury vertreten war (s.u.)
noch nie war der nachhall auf meine arbeit so groß. knapp gefolgt von einem artikel über pornographie - erschienen im internet! (porno, na und?)
alter: 28
meine texte entstehen: am computer.
ich recherchiere mit: telefon, computer, bücher, recherche vor ort
meine diplomarbeit habe ich geschrieben über:
vier öffentlich-rechtliche online-medien zwischen theoretischer verheißung und profaner realität - ein empirischer und systemtheoretischer vergleich.
geplantes zusatzkapitel zu meiner arbeit:
wie protagonisten der online-community printmedien zur ironiefreien zone erklärt haben
warum ich diesen eintrag schreibe:
blogeinträge von martin blumenau und digiom ("...wer solche meldungen verfasst ((also ich)), ist vermutlich nur neidisch oder hat angst vor ihrer ((also ingrid brodnigs)) konkurrenz. und gerade frauen, erst recht junge frauen, werden ja gerne in in dieser weise gedisst. shame on them, whoever they are!)
eine meiner lieblingskolleginnen beim falter heißt: ingrid brodnig
der vollständigkeit halber:
stell ich meine heftig umstrittene, bierernste arbeit online
falter 47/s4 "Ingrid Brodnig saß vergangene Woche in der Jury des Wolfgang-Lorenz-Gedächtnispreises. ORF-Programmdirektor Lorenz hatte seinerzeit das 'Scheiß-Internet' verdammt. Mit letzter Kraft verhinderte Brodnig, dass Falter-Chefredakteur Armin Thurhher abgepreist wurde. Statt seiner bekamen die Wiener Grünen den Award."
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