2008/02/28








KURIER, 29.2.08

Ein Zeitzeuge erinnert sich Ein Film für ein geteiltes Österreich

"Ich betrachte Österreich noch immer als geteiltes Land", sagt Walter Fantl. "Geteilt zwischen jenen, die von den Alliierten als Besatzer sprechen und jenen, die in ihnen die Befreier sehen." Aus diesem Grund ist Fantl die filmische Umsetzung des Holocaust ein Anliegen. Fantl ist Jude und er hat Auschwitz überlebt. Geblieben sind Erinnerungen und die Häftlingsnummer am Unterarm.

"Durch den Oscar erhält das Thema die Aufmerksamkeit, die es verdient. Ich bin besonders froh, dass dies im Jahr 2008 geschieht." 70 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland. Seine Erinnerungen an 1938 sind noch gegenwärtig. "Ich erinnere mich an den Einmarsch der Deutschen und an ihre Nazilieder. Nach dem Anschluss hat uns niemand mehr gekannt. Wir waren praktisch nicht mehr vorhanden."
Die Familie Fantl wollte Österreich Richtung Amerika verlassen. "Alle Vorbereitungen waren getroffen. Wir wollten bereits Plätze auf dem Schiff reservieren." Als der Krieg ausbrach.


Todesmarsch
Fantl konnte bis 1942 in Wien bleiben. Als Schlosser der Kultusgemeinde hielt er die Wohnungen der Nazis in Stand. Ähnlich wie im Film "Die Fälscher" standen auch hier Juden im Dienst ihrer Peiniger: "Jüdische Professionisten haben die Wohnung von Alois Brunner komplett eingerichtet. Ich bin ihm dort begegnet." Auf den SS-Hauptsturmführer von einst ist heute eine Belohnung von 50.000 Euro ausgesetzt. Er soll maßgeblich an der Deportation von Wiener Juden beteiligt gewesen sein.

Fantl kam 1942 nach Theresienstadt, später nach Auschwitz. Nach einem zweitägigen Todesmarsch wurde der heute 83-Jährige von den Russen befreit. Er überlebte das KZ als einziger seiner Familie. "Mein Vater musste auf der Rampe in Auschwitz nach rechts. Ich wurde nach links geschickt." Der Film "Die Fälscher" ließ Erinnerungen an die Zeit im KZ wieder lebendig werden. Erinnerungen, für die ihm heute noch die Worte fehlen. "Manche Szenen haben mich sehr betroffen gemacht", sagt er. "Wir mussten an Toten vorbei defilieren während im Hintergrund die Musikkapelle gespielt hat."


Lange geschwiegen Sein Urteil über den Film: "Der Film ist nicht überzeichnet. Die SS ist gut getroffen, das Schikanieren und das Zuschlagen. So ist es passiert." Fantl hat lange über das Erlebte geschwiegen. Es ist das zweifelhafte Verdienst der erstarkenden Rechten in den 80er-Jahren, dass Fantl 40 Jahre nach Kriegsende zu erzählen begann. "Als die Blauen immer mehr wurden, hab ich mich gefragt: Wieso bist du in Österreich geblieben?" Heute geht er in Schulen: "Jetzt ist das Bedürfnis da, darüber zu reden. Ich hoffe, dass die Saat aufgeht."


foto www.flickr.com von sarmax

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