2008/08/19

erschienen im falter am 20-8-2008

Online kauft Print



Oscar Bronner kauft sich den „Standard“ von der „Süddeutschen“ zurück. Warum?

Der Klügere liest nach“, lautete der Werbeslogan der Tageszeitung Standard vor einigen Jahren. Nur wo? Im Internet oder in der Tageszeitung? Dass Standard-Herausgeber Oscar Bronner den 49-Prozent-Anteil an seiner Zeitung, den der Süddeutsche Verlag seit 1998 gehalten hatte, zurückkauft, war am Mittwoch vergangener Woche zuerst auf Standard-Online zu lesen – und erst einen Tag später in der Printausgabe. Das Prinzip im Branchenjargon: „Online first“.

Allein, viel „klüger“ wurde der Leser aus beiden Meldungen nicht. Den Grund für den Rückkauf nannten sie nicht. Dass der entgegen einer APA-Meldung noch gar nicht abgewickelt sei, ließ der Süddeutsche Verlag Ende vergangener Woche wissen. Zehn Jahre lang hielt der Verlag (u.a. Süddeutsche Zeitung) 49 Prozent am Standard. Über Probleme zwischen Bronner und dem deutschen Geschäftspartner war bisweilen nichts bekannt. Anfang dieses Jahres wurde der Süddeutsche Verlag dann selbst an die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) verkauft. Die SWMH wurde durch die Fusion zum zweitgrößten deutschen Zeitungsverlag nach dem Springer-Konzern (u.a. Bild-Zeitung).

Bronner hat für den Fall eines solchen Verkaufs des Süddeutschen Verlags vertraglich die Möglichkeit, seine Anteile wieder freizukaufen. Sein Vehikel für den Rückkauf: Die Bronner-Online-AG. Jenes Unternehmen also, das die Onlineausgabe des Standard produziert. Seit 1998 sind Print- und Online-Standard formal getrennte Unternehmen. Mit dem Resultat, dass die Onlineredaktion zwar zahlreiche Artikel aus der Tageszeitung übernimmt, diese aber teilweise einzeln bezahlen muss. Nun also soll die Bronner-Online-AG den 49-Prozent-Anteil am Standard übernehmen. Somit wird ein Onlineprodukt Mehrheitseigentümer (49 Prozent) eines Print-Produkts (41 Prozent gehören der Bronner Familien-Privatstiftung, 10 Prozent hält Bronner selbst).

Eine digitale Revolution? Ein Sieg von Online über Print? „Das hat bestenfalls charmanten Symbolcharakter für das Medienwesen des 21. Jahrhunderts“, sagt Andy Kaltenbrunner, Medienberater und Forscher im Bereich Medienkonvergenz: „Die wahren Gründe für diese Art der Übernahme dürften steuerrechtlicher und juristischer Natur sein.“ Auch Bronner selbst betont, man solle dieser Konstruktion „nicht allzu viel Gewicht beimessen“. Dennoch: Geht es um die Gründe für den Rückkauf, hält sich der 65-Jährige im Gespräch mit dem Falter bedeckt: „Wir haben Gespräche (mit der SWMH, Anm. d. Red.) geführt und hatten manche unterschiedliche Einschätzungen. Ich hatte den Eindruck, dass es besser so ist.“

In Zukunft sollen Print und Online gemeinsam gleichberechtigt in einer Holding angesiedelt werden. Wann dies geschehen soll, hängt davon ab, wann und ob die österreichischen Kartellbehörden dem Rückkauf zustimmen. Ob Bronner einen neuen Eigentümer, so wie einst den Süddeutschen Verlag, suchen wird? „Ich strebe es nicht an, zu 100 Prozent ausschließen kann ich es aber nicht.“ Online und Print dürften also auf längere Sicht in Bronners Hand bleiben.

Medienexperte Kaltenbrunner hält den Rückkauf zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls für durchaus sinnvoll: „Die neuen Eigentümer des Süddeutschen Verlags dürften kein überbordendes Interesse an solch einem Nebenschauplatz in Österreich haben. Ein 49-Prozent-Anteil wäre für sie längerfristig sicher nicht sinnvoll.“ In Deutschland ist der neue Eigentümer der Süddeutschen Zeitung seit Wochen selbst Gegenstand medialer Berichterstattung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schreibt von „einem der reichsten und gleichzeitig unbekanntesten Medienunternehmern Deutschlands“ und meint damit Dieter Schraub, der die größten Anteile an der SWMH hält. „Es ist ein Reich des Schweigens“, schreibt die FAZ weiter, die Berliner taz nennt die Familie den „Aldi-Clan“ der deutschen Verlagsbranche und zitieren Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut: „Die sind verschlossen wie eine Auster.“

Möglich, dass die Kommunikationspolitik der deutschen Verleger mit ein Grund für Bronner war, sich freizukaufen, auch wenn er diese Politik im konkreten Fall mit den Schraubs gemein hat. Denn über Preis und Art der Finanzierung verlieren weder Schraub noch Bronner ein Wort. Die Tageszeitung Österreich schreibt von einem Kaufpreis von 25 bis 30 Millionen Euro. Bronner, mit diesen Zahlen konfrontiert: „Ich schweige mich weiter aus.“

bild www.flickr.com von medicopter und auf www.falter.at

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