Martin Gantner / Falter 24.10.07
HANDYFERNSEHEN Zur Fußball-Europameisterschaft will Österreich europäische Spitze sein - nicht am Ball, sondern beim Handy-TV.
Es ist der 18. Juni 2008, 18 Uhr. Auftaktspiel der Österreicher bei der Euro im Ernst-Happel-Stadion - Gegner unbekannt, aber sicher gefürchtet. 53.000 Zuschauer im Stadion, Hunderttausende vor dem Fernseher, einige wenige vor ihrem Handy. Neunzig Minuten, die - unabhängig vom Ergebnis - eine Revolution versprechen. Das neue Kürzel lautet DVB-H - Digital Video Broadcasting-Handheld. 15 mögliche DVB-H-Sender am Handy, bessere Übertragungskapazitäten, höhere Auflösung, besserer Ton und eigens produzierte Formate sollen für ein neues Handy-TV-Zeitalter sorgen. Der ORF bereitet sich auf die Umstellung vor. Schließlich hat die Regierung ein Gesetz beschlossen, das für den ORF vier Kanäle vorsieht: ORF1, ORF2 sowie zwei Spartenprogramme: TW1 - das zu einem Info- und Kulturkanal umgebaut werden soll, und ein Programm mit dem Arbeitstitel "ORF mobil", eigens fürs Handy. Noch geizt der ORF mit Informationen. Man befinde sich in der Konzeptionsphase. Nur so viel: "Formate wurden bereits im Frühjahr erfolgreich getestet." Während dieser Testphase wurde auch ein interaktives Format probiert. "Das Publikum konnte via SMS den Verlauf einer Daily Comedy bestimmen", erzählt Eva Elsigan von der ORF-Online-Direktion. Auch die "ZiB 20" sei sehr positiv aufgenommen worden. Ob es auch eine "ZiB-Mobile" geben wird, ist noch offen. Bereits im Juli erklärte Online-Direktor Thomas Prantner: "News, Service, Sport, Kultur und Entertainment werden wichtige Elemente sein. Man möchte auch in der U-Bahn fernsehen. Dazu ist aber ein anderes Format notwendig."
Nicht nur der ORF bereitet sich auf die Umstellung vor. Berthold Thoma, Geschäftsführer des Mobilfunkunternehmens Drei sieht auch in der RTL-Gruppe und in Pro Sieben/Sat1 wichtige strategische Partner. Und Thomas Breitenecker, Geschäftsführer von PulsTV sagt: "Wir werden, Puls4', unseren neuen, bundesweiten Sender, als Vollprogramm fürs Handy anbieten." Auch ATV will mobil zu sehen sein. Einzig die Frage der Finanzierung ist nicht vollends geklärt. Denn DVB-H-Handys sind um etwa siebzig Euro teurer als herkömmliche Geräte. Thoma: "Wir erwarten, dass der Kunde bereit sein wird, für ein entsprechendes Angebot monatlich mehr zu zahlen." Außerdem rechne man mit neuen Vermarktungsmodellen. Das Gesetz sieht jedenfalls zwei Pakete vor: Ein Basispaket mit ORF und ATV, das von allen Abonnenten empfangen werden kann und zwischen fünf und zehn Euro kosten soll. Zusätzlich soll es auch ein Premiumpaket zur individuellen Abstimmung geben. Ob alle vier ORF-Sender oder nur ORF1 und ORF2 im Basispaket enthalten sein werden, ist noch unklar.
Medienministerin Doris Bures sieht Österreich jedenfalls als "internationalen Vorreiter in Sachen Medientechnologie", denn Österreich soll nach Italien als zweites Land Europas auf DVB-H umstellen. Die dazu notwendige Lizenz wird Ende Februar vergeben. Gute Karten hat die ORS, Sendetochter des ORF. Dass dadurch private Programmanbieter benachteiligt werden könnten, bestreitet ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer: "Das Gesetz lässt hier keinen Spielraum." Wagenhofer rechnet bis 2012 mit einer halben Million zahlender Kunden. EU-Kommissarin Viviane Reding glaubt, dass der Markt für Handy-TV in den nächsten vier Jahren auf zwanzig Milliarden Euro wachsen wird. In Südkorea schauen schon jetzt zehn Prozent der Bevölkerung am Handy fern. Bleibt zu hoffen, dass die Einführung des Systems zur Euro 2008 kein Fehlkalkül ist - und das Fernsehhandy erfolgreicher ist als die heimische Nationalelf.
2007/10/24
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