Lieblingsfarbe Rechts
Die Rechte ist wieder wer in Österreich. Schuld an dem Ergebnis sind die einstigen Volksparteien selbst, die sich treiben ließen vom politischen Phrasendreschen der FPÖ. Ein Kommentar.
Der letzte Runde Tisch nach der Wahl im ORF mit allen Spitzenkandidaten hatte beinahe familiären Charakter. Eine Familie, die am Ende eines anstrengenden Tages gemeinsam am Tisch sitzt und die Erlebnisse des Tages, der vergangenen Wochen, ja eigentlich der vergangenen Jahre Revue passieren lässt. Der von allen geliebte, aber nicht mehr ganz ernst genommene Großvater Alexander van der Bellen, Chef der Grünen, saß am Tisch. Die beiden schwererziehbaren Kinder Jörg Haider und sein jüngerer, wild pubertierender Bruder Heinz Christian Strache, Parteichef der FPÖ, saßen auch da und quengelten. Am anderen Ende des Tischs die gramvollen Eltern von SPÖ und ÖVP, Werner Faymann und Wilhelm Molterer. Keiner wollte so recht verstehen, was geschehen war. Das erzieherische Moment der Eltern hatte versagt, die beiden Söhne beanspruchen ihr politisches Erbe und der Großvater meldet sich kaum zu Wort. Alle argumentierten und analysierten den Wahlausgang relativ klarsichtig, man sprach über Fehler der Eltern in der Erziehung, das brutale Verhalten der Kinder, über die Ohnmacht des Großvaters und über Onkel Hans Dichand, der den Wahlsieg via Kronen Zeitung medial für die SPÖ bereitete.
300 Journalisten aus dem Ausland berichteten über das Ereignis in der Alpenrepublik und sie schrieben wie schon vor neun Jahren vom Rechtsruck in der österreichischen Parteienlandschaft. Haben Sie Recht? Hat sich die österreichische Politik aus der Mitte verabschiedet und hat sie sich wieder ein Stück weiter nach rechts bewegt? Die Antwort muss lauten: Ja, sie hat. Aus mehreren Gründen. Jene beschwichtigenden Stimmen, die das Ergebnis nun als ein Ergebnis einer Protestwahl präsentieren, das von keinerlei rechtsnationaler Gesinnung getragen wird, irren. Die Wähler haben protestiert von haben dabei gleichzeitig rechtes Gedankengut beider Parteien – BZÖ und FPÖ – in Kauf genommen.
Sie haben großzügig über Jugendfotos des FPÖ-Parteichefs hinweggesehen, die diesen bei Wehrsportübungen mit rechtsradikalen Größen der Szene zeigen. Sie haben mit ihrer Stimme ein Wahlprogramm unterschrieben, das getrennte Sozialversicherungsansprüche vorsah – einen für In- und einen für Ausländer. Sie haben für Slogans gestimmt, die da heißen „Muezzin statt Pummerin“, „Asylbetrug heißt Heimatflug“ oder „Willst du eine Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen“. Man möge all dies nicht überbewerten? Im Gegenteil: Man sollte dieses Moment der Wahl nicht unter den Tisch fallen lassen. Dass FPÖ und BZÖ seit jeher am rechten Rand fischen ist nicht neu. Neu war im Falle dieser Wahlen indes, wie ungeniert auch SPÖ und ÖVP auf diesen Zug aufgestiegen waren, wie stark sie sich von den rechten Parteien treiben ließen. Ein Prozess, der Jahre dauerte und sich heute im Schüren politischer Ängste äußert.
Von Visionen ist in Österreichs Politik lange keine Rede mehr. Die SPÖ war mit ihrer Forderung nach einer Volksabstimmung in heiklen EU-politischen Belangen wie etwa einem möglichen Türkei-Beitritt von ihrer bisherigen Europapolitik abgegangen. Die ÖVP ihrerseits wollte den Freiheitlichen mit ihrer restriktiven Asylpolitik das Feld rechts der Mitte nicht kampflos überlassen. Zu diesem Zwecke bemühte man gerne „Ausländerghettos“ in Wiens Randbezirken und formulierte im Geiste einer freiheitlichen Rhetorik: Die Bewohner Ottakrings (Bezirk Wiens) seien „in Wien schlafen gegangen und in Istanbul aufgewacht“ (Hannes Missethon, Generalsekretär ÖVP im Gespräch mit der Tageszeitung Standard). Eine Abwärtsspirale war in Gang gesetzt worden und die Wähler vertrauten dabei lieber den Schmieden FPÖ und BZÖ, als den Schmiedln SPÖ und ÖVP. Diese Bagatellisierung rechter Inhalte wurzelt im Jahr 2000. Jenes Jahr, in welchem FPÖ und ÖVP eine Regierung bildeten.
Im Jahr 2000 und den darauf folgenden Jahren war Österreich in der europäischen Realität angekommen, schrieben Befürworter einer Schwarz-Blauen-Koalition. Das Primat der Großparteien, der lähmenden Großen Koalition war gebrochen, die Macht des Wechselwählers anerkannt und die als lästig empfundene Sozialpartnerschaft bestehend aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wurde kurzerhand aus den Angeln gehoben. Es folgte – ähnlich wie in Deutschland – eine milde Form der Agendapolitik. Insofern hatte die Feststellung einer gewissen Normalisierung ihre Berechtigung. Einzig sie fand unter pervertierten Umständen – unter der Regierungsbeteiligung einer Partei statt, welche den Rechtsstaat zuvor jahrelang mit Füßen getreten hatte.
Und spätestens mit dieser Regierungsbeteiligung fand die politische Unkultur Einzug in die einstigen Großparteien SPÖ und ÖVP. Bezeichnend auch der Ausspruch des steirischen ÖVP-Chefs Hermann Schützenhöfer nach der Wahl: Er sprach sich indirekt gegen eine große Koalition und für die Regierung einer „bürgerlichen Mehrheit“ aus und meinte wohl eine Regierung der ÖVP mit FPÖ und BZÖ. Einzig bürgerlich wäre solche eine Koalition nicht. Sie war es nie. Im Gegenteil: Sie würde rechte Phrasen und Ideologie nicht zähmen, sondern kultivieren. Interessant ist auch das Scheitern der ÖVP, die abseits ihrer restriktiven Asylpolitik versucht hatte, einen staatstragenden Eindruck zu vermitteln. Nur, dass dies nicht mehr gehuldigt wurde. Es scheint beinahe so, als würde die ÖVP die Geister, die sie einst vor Jahren rief, nun nicht mehr los. In einem mauen Wahlkampf versuchte sie sich im Kampf gegen die Kronen Zeitung wieder als Europa-Partei zu profilieren. Doch es hat den Anschein, als hätte sich der Wähler bereits an rauere Töne gewöhnt. An ein politisches Klima, das mit Ängsten und Ressentiments spielt. Österreich ist also weniger in einer europäischen Normalität angekommen, als vielmehr die ÖVP in einer von ihr geschaffenen Realität, die geprägt ist von einer Hydra mit zwei Köpfen.
Die Schuld der Volkspartei alleine zuzuschieben, greift dabei sicherlich zu kurz, aber derzeit scheint es so zu sein, wie es Grünen-Chef Alexander Van der Bellen nach der Wahl formuliert hat. „Für eine liberale Politik scheint es derzeit in Österreich einfach kein größeres Potential zu geben.“ Und auch wenn nicht alle, die die freiheitliche Partei oder das BZÖ gewählt haben rechtsradikal gesinnt sind, so haben sie doch neben ihrem Protest auch immer der Parteien Gesinnung mit eingekauft und politisch legitimiert. Das sollte zu denken geben.
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