FALTER/26.3.08
Nicht nur freitags
ACCESSOIRES Die neuesten Planentaschen der Stadt kommen aus Ottakring.
Josef ist nicht so der abstrakte Typ. "Ich hab geometrische Formen lieber", sagt der 34-jährige Wiener über sich. Josef näht Planentaschen aus gebrauchten Werbeplanen. Täglich eine. Im H/K/E (die Abkürzung steht für Handwerk, Kunst, Entwicklung) der Caritas in Ottakring sitzen Leute in der Auslage. Vor ihnen stehen Nähmaschinen, hinter ihnen an den Wänden hängen Planentaschen in verschiedenen Farben, unterschiedlich bedruckt, unterschiedlich groß, zum Umhängen oder Einstecken.
Die Näher, die hier arbeiten, mögen exponiert im Schaufenster sitzen, das Geschäft ist dennoch vielen Leuten unbekannt. "Manchmal kommen zwei bis drei Leute am Tag hier vorbei. Manchmal auch weniger", beschreibt Projektleiter Michael Kozeluh das Laufkundenverhalten. Die Taschen dürften weniger dafür verantwortlich sein als vielmehr die Lage des Ladens. Für Josef ist das H/K/E jedenfalls eine Möglichkeit, wieder zurück ins Berufsleben zu finden. Anfangs war er skeptisch, heute gefällt ihm seine Arbeit. Er ist seit zwei Jahren clean, und seit zwei Monaten arbeitet er zwölf Stunden in der Woche in der Sozialeinrichtung
Dass er einmal halbtags hinter einer Nähmaschine sitzen würde, hätte er früher nicht gedacht. "Heute nähe ich am liebsten, obwohl ich früher das Klischee vor Augen hatte, dass Nähen eher Frauensache ist." Josef lacht. So wie er nähen noch 19 andere langzeitarbeitslose Männer und Frauen zwischen 19 und 35 Jahren aus ehemaligen Reklameplanen Taschen, Geldbörsen oder Papierkörbe. "Es sind beispielsweise Migranten, die hier noch nicht Fuß gefasst haben, Leute mit Drogenkarrieren oder ganz einfach Menschen, die irgendwie den Anschluss an ein normales Berufsleben verpasst haben", erklärt Kozeluh.
Das Ziel: den Menschen mittels geringfügiger, aber sinnvoller Beschäftigung eine Perspektive und Kunden ein schmuckes Tascherl zu geben. "Wir therapieren hier nicht. Die Leute sind in erster Linie hier, um wieder zu arbeiten." In einem halben Jahr soll Josef weitervermittelt werden. Wohin die Reise gehen wird, weiß er selbst noch nicht. "Mit 34 Jahren ist das nicht mehr so einfach." Finanziert wird das Caritas-Projekt mit Geldern von Stadt und EU. "Aber ohne die Unterstützung privater Spender wär das Ganze nicht zu machen." Planentaschen wie vom Schweizer Label Freitag, aber die ganze Woche in Ottakring, kosten übrigens zwischen zehn und 35 Euro.
H/K/E, 16., Ottakringer Straße 149, Tel. 585 60 54, Mo, Di, Do, Fr 9-15.30 Uhr oder gegen Voranmeldung.
fotos falter und caritas
2008/03/25
Im Gedenkjahr ein GedenkNein
Der Herr auf dem Bild gibt zu: "Der Vergleich ist hart aber griffig". Aber wenn es darum geht, den EU-Reformvertrag schlecht zu machen, sind scheinbar alle Mittel recht, aber vor allem billig und geschmacklos.
foto gantner
foto gantner
2008/03/14
Kurier
- Martin Gantner
Ein Leben für die Schellack-Platten
Stadt-Menschen - Günther Schifter ist auch mit 84 nicht leise
Günther Schifter legt eine Schellackplatte auf und beginnt zu wippen. Es hat sich viel geändert in den letzten Jahren, Schifters Liebe zu Jazz und Swing ist geblieben. Das typische Schifter-Lachen auch. Schifter lacht viel. Wenn er von seinen Radiosendungen erzählt, von "Western Saloon" oder "Music Hall", von "Klingenden Kleinigkeiten" und dem "Alten Plattenmann", dann spürt man die Begeisterung des 84-jährigen. Er erzählt die Dinge mit der Lässigkeit eines alten Jazzers, und das Wort "Jazz" spricht Schifter gedehnt: "Jaaaazz". Schifter hat den Blues.
50 Jahre lang, bis 1999, geht "Howdy" über den Äther. Er macht Sendungen für Radio und Fernsehen. Auf Ö3 präsentiert er Songs und Geschichte. "Ich weiß gar nicht mehr, was ich alles gemacht habe", sagt Schifter. Aber: "Wir haben damals Sendungen gemacht, die genau so gut waren wie heute. Nur interessanter, weil noch neu." Lachen.
Schifter sitzt in seinem Büro im neunten Bezirk. Tausende Schellacks reihen sich auf wenigen Quadratmetern bis an die Decke aneinander, daneben ein Grammofon und alte Fotografien. "Mittlerweile sind es etwa 30.000 Schellacks", sagt Schifter. Er sammelt seit seiner Kindheit. Mit vier Jahren will er schon die Namen von Louis Armstrong und Duke Ellington geschrieben haben. "Mit zehn Jahren war ich schon recht etabliert."
Und auch im Krieg blieb der gebürtige Wiener der von den Nazis verbotenen, "entarteten Musik" treu. Schifter hörte die Feindsender BBC und Radio Straßburg. "Darauf stand Zuchthaus". Die Gestapo wurde auf ihn aufmerksam. Kurze Zeit war Schifter bei der Wehrmacht, wurde jedoch als untauglich befunden und versetzt. Zu seinem Glück zur Firma Schrack, die Radiogeräte herstellte.
Als der "Irre von Braunau" (Zitat Schifter) besiegt war, begann die Karriere als Radio- und Fernsehmoderator beim ORF. "Es war a Hetz. Wenn ich wieder auf die Welt komme, werde ich dasselbe noch einmal machen." Lachen.
bild von MentalWorks
www.schifter.mediathek.at
acht eier gelegt...
in den vergangenen 2,5 monaten wurden in medianet / healtheconomy acht spitäler porträtiert. jedes für sich spannend und auch alle trägerschaften, gleich ob orden, stadt, privat, in sich schlüssig. abgesehen von den privaten spitälern, haben alle eine sache gemeinsam: ihnen fehlt das geld.
ob die regierung unter bundeskanzler gusenbauer und gesundheitsministerin kdolsky, den ganz großen wurf, nämlich eine allumfassende gesundheitsreform und somit auch eine spitalsreform, auf die reihe zu bringen, darf unter den momentanen umständen wohl eher bezweifelt werden.
sicher ist: die reform wird kommen, weil sie früher oder später kommen muss. besser früher als später, auch auf die gefahr hin, dass angesichts der vielen player, die in dieses spiel involviert sind, ein kompromiss (und somit eine klassische großkoalitionäre lösung) nicht möglich ist, sondern allein eine echte reform, welche zahlungsströme transparent gestaltet und vereinheitlicht.
ich hoffe, sie hatten spaß beim lesen...
bild www.flickr.com von Miala
2008/03/05
KURIER
"Werte Reisende" reisen lieber
Stadtmenschen - Raimund Korners ungewöhnliche Durchsagen sind stadtbekannt
Angefangen hat alles mit: "Bitte beachten Sie, dass das Ein- und Aussteigen nach Abfertigung des Zuges unerwünschte Nebenwirkungen haben kann." Das war vor knapp zwölf Jahren. Heute ist Raimund Korner stadtbekannt. Mit seinen Durchsagen heitert er auf, er weist zurecht, bittet "bewährte Gepflogenheiten auch im dritten Jahrtausend beizubehalten".
Seit 28 Jahren ist Korner U-Bahnfahrer, davor ist er sieben Jahre mit der Tramway durch Wien gefahren. "Ein erhebendes Gefühl, mit einem 20 bis 30 Tonnen schweren Gefährt durch die Stadt zu fahren", sagt der 56-Jährige. Lange bevor er den Autoführerschein besaß, fuhr Korner als Student mit dem 58er-Wagen die Mariahilfer Straße entlang.
Ursprünglich wollte der gebürtige Amstettner Lehrer werden, studierte Geschichte und Geografie, ehe irgendwann der Universität den Rücken kehrte. "Bereut hab ich meine Entscheidung eigentlich nie. Wahrscheinlich wär ich kein guter Lehrer geworden", glaubt er heute.
Wenngleich er auch lehrerhaft auftreten kann. Er schafft das, was so mancher Lehrer nicht vermag: Randalierende Jugendliche werden rot, wenn Korner "die Burschen, die mit dem vielen Testosteron noch nicht umgehen können" zurechtweist - freilich übers Mikrofon.
Reaktionen
Schon lange wird er der "U-Bahnpoet" genannt. Doch Poesie ist nicht jedermanns Sache. "Die Reaktionen sind völlig unterschiedlich", erzählt er, "die positiven überwiegen aber." Von Applaus über Stinkefinger bis hin zu Entschuldigungen ertappter Fahrgäste ist alles dabei. "Aber Wien ist ein guter Boden für meine Ansprachen. Ich weiß nicht, ob das in Göttingen möglich wäre", scherzt Korner.
Gesammelte Zitate gibt es keine. Will man Korners Reden hören, empfiehlt es sich, mit der U4 zwischen Heiligenstadt und Hütteldorf zu pendeln. "Da treib ich mein Unwesen."
foto www.flickr.com von xizoom
"Werte Reisende" reisen lieber
Stadtmenschen - Raimund Korners ungewöhnliche Durchsagen sind stadtbekannt
Angefangen hat alles mit: "Bitte beachten Sie, dass das Ein- und Aussteigen nach Abfertigung des Zuges unerwünschte Nebenwirkungen haben kann." Das war vor knapp zwölf Jahren. Heute ist Raimund Korner stadtbekannt. Mit seinen Durchsagen heitert er auf, er weist zurecht, bittet "bewährte Gepflogenheiten auch im dritten Jahrtausend beizubehalten".
Seit 28 Jahren ist Korner U-Bahnfahrer, davor ist er sieben Jahre mit der Tramway durch Wien gefahren. "Ein erhebendes Gefühl, mit einem 20 bis 30 Tonnen schweren Gefährt durch die Stadt zu fahren", sagt der 56-Jährige. Lange bevor er den Autoführerschein besaß, fuhr Korner als Student mit dem 58er-Wagen die Mariahilfer Straße entlang.
Ursprünglich wollte der gebürtige Amstettner Lehrer werden, studierte Geschichte und Geografie, ehe irgendwann der Universität den Rücken kehrte. "Bereut hab ich meine Entscheidung eigentlich nie. Wahrscheinlich wär ich kein guter Lehrer geworden", glaubt er heute.
Wenngleich er auch lehrerhaft auftreten kann. Er schafft das, was so mancher Lehrer nicht vermag: Randalierende Jugendliche werden rot, wenn Korner "die Burschen, die mit dem vielen Testosteron noch nicht umgehen können" zurechtweist - freilich übers Mikrofon.
Reaktionen
Schon lange wird er der "U-Bahnpoet" genannt. Doch Poesie ist nicht jedermanns Sache. "Die Reaktionen sind völlig unterschiedlich", erzählt er, "die positiven überwiegen aber." Von Applaus über Stinkefinger bis hin zu Entschuldigungen ertappter Fahrgäste ist alles dabei. "Aber Wien ist ein guter Boden für meine Ansprachen. Ich weiß nicht, ob das in Göttingen möglich wäre", scherzt Korner.
Gesammelte Zitate gibt es keine. Will man Korners Reden hören, empfiehlt es sich, mit der U4 zwischen Heiligenstadt und Hütteldorf zu pendeln. "Da treib ich mein Unwesen."
foto www.flickr.com von xizoom
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