2008/12/30

Überraschung zu Jahresende

www.orf.at punktet mit beeindruckender bildergalerie. gewohnt reduziert, aber gut gemacht.

Einzig das Bild aus Amstetten sollte man sich sparen

Rechts, aber nicht radikal







bild flickr.com von musikdieb










Text Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 30.12.2008 - 13:29 Uhr

Proteste wie in Griechenland? Nicht in Österreich. Jung und Alt protestieren in diesem Land nicht auf der Straße, sondern in der Wahlkabine. Ein Land, das den Konflikt scheut.



Der Regen blieb aus an diesem Donnerstag im Oktober 2007. Die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz steht auf dem Wiener Ballhausplatz zwischen Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei. Es ist 19 Uhr, um sie herum knapp 100 Demonstranten. Streeruwitz spricht von einer „untergegangenen Kultur“ – kein Zweifel: Sie hat mit mehr Leuten, mehr Transparenten, mit einem deutlicheren Signal gegen Asyl- und Fremdenrechtspolitik der Großen Koalition gerechnet. Sie wird die von ihr mitorganisierte Demonstration bereits nach einer Viertelstunde wieder verlassen – mit den Worten: „Vielleicht muss man sich etwas Neues einfallen lassen.“

Es war der gescheiterte Versuch, eine Wiener Institution, die so genannte Donnerstags-Demo, wieder zu beleben. In den ersten beiden Jahren der schwarz-blauen Koalition, unter Beteiligung der Partei des tödlich verunglückten Jörg Haiders, gingen anfangs 10.000 Leute, später ein paar Wenige friedlich auf die Straße. Wöchentlich. 112 Donnerstage in Folge. Gegen Jörg Haider, Fremdenhass, die FPÖ, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und die ÖVP.

Dieser zwei Jahre dauernde, wöchentliche Spaziergang von Jung und Alt, Schülern, Studenten und Berufstätigen auf der Wiener Ringstraße gibt Aufschluss über die Verfasstheit dieses Landes, über das Verhältnis zwischen Bürgern und dem Staat. Sie erklärt, warum Ausschreitungen wie in Griechenland in Österreich nicht zu erwarten sind. Denn die Geschichte der Donnerstags-Demo erzählt auch eine Geschichte der österreichischen Zivilgesellschaft. Und diese liebt den Konsens mehr als den Konflikt.

Denn jene Donnerstage in den Jahren 2000 und 2001 waren die Ausnahme. Die österreichische Normalität sieht anders aus. Der Protest, auch jener junger Leute, findet in Österreich nicht auf der Straße, sondern in der Wahlkabine statt. Bei den Nationalratswahlen im Oktober haben 33 Prozent der Unter-30-Jährigen die Freiheitliche Partei (FPÖ) von Heinz Christian Strache gewählt. Ein Kantersieg für die Rechts- und Protestparteien.

Zusammen erreichten FPÖ und Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gar 43 Prozent der Stimmen unter den Jungwählern. Bei ungelernten Arbeitern erreichten sie mit ihrer Mischung aus sozialer, stark ausländerfeindlicher und nationalistischer Politik überhaupt die absolute Mehrheit.

„Nein, Proteste wie im Jahr 2000 blieben dieses Mal aus.“ Birgit Sauer sitzt wenige hundert Meter vom Wiener Ballhausplatz entfernt im Neuen Institutsgebäude der Universität Wien. Sauer ist Politikwissenschaftlerin und lebt seit 13 Jahren in der Bundeshauptstadt. Ursprünglich kommt sie aus Deutschland. Sie sagt, die Ausdauer der Demonstranten vor bald sieben Jahren hätte auch sie überrascht. Denn speziell für Österreich waren diese Proteste ungewöhnlich. „Die Jugendkultur, soziale Bewegungen überhaupt, sind in Österreich immer mit ein wenig Verspätung eingetroffen.“

Die beiden Großparteien hatten es über Jahrzehnte verstanden, jedweden Protest aufzufangen und in Verbänden und politischen Vorfeldorganisationen zu kanalisieren. „In Österreich steht Verhandlung anstelle der Konfrontation. Es ist eine Frage der politischen Kultur.“ Streiks wie in Deutschland, Frankreich oder in Italien gibt es nicht. Und außerdem geht es den Österreichern gut: Die Arbeitslosenquote ist lange niedrig, die wirtschaftlichen Eckdaten stimmen zwar aufgrund der aktuellen Finanzkrise nicht optimistisch, aber doch weniger pessimistisch als andernorts.

Doch was war dann im Jahr 2000 passiert? Wieso währte dieser Protest einer jungen Zivilgesellschaft ganze zwei Jahre lang? „Es war ein Aufbruch gegen diese totale politische Vereinnahmung, die es lange in Österreich gab und die es heute wieder gibt“, sagt Kurt Wendt. Er war bei den meisten Donnerstags-Demos dabei und gilt neben anderen als deren Mitbegründer. Die Politik suchte damals erstmals den Konflikt mit Arbeitnehmervertretern, schloss sie von Gesetzgebungsprozessen aus. Subventionen im Kulturbereich wurden gekürzt. Kurz: Die Politiker brachen mit Traditionen. Die jungen Wähler taten es ihnen gleich.

Es entstanden in dieser Zeit viele neue Medien, informelle Netzwerke, Plattformen und Newsletter. Kanzler Schüssel sprach von den für die Proteste Verantwortlichen als der „Internetgeneration“. Mit Mund (Medien unabhängiger Nachrichtendienst) entstand gar eine Online-Tageszeitung. Auch www.gegenschwarzblau.net wurde damals von einer jungen Wohngemeinschaft ins Netz gestellt. Jede Woche donnerstags wollte sich diese „Internetgeneration“ auf der politischen Bühne Gehör verschaffen - doch nicht, wie bis zu diesem Zeitpunkt üblich, hinter barocken Türen verschiedener Ministerien, sondern auf der Straße.

Heute, sieben Jahre später, sagt Wendt: „Jetzt ist wieder Grabesruh in Österreich eingekehrt.“ Österreich hat wieder eine Große Koalition. Die Rechtsparteien sitzen auf der Oppositionsbank, Gewerkschafter sollen wieder verstärkt mitreden dürfen, die Studiengebühren werden abgeschafft und die Einigkeit der beiden Regierungsparteien wird von diesen selbst gebetsmühlenartig betont. Momente, die zu einer großen Demonstration oder zu Protest Anlass bieten würden, sind, nach Meinung Wendts, bislang ausgeblieben.

Das Resümee der Schriftstellerin Streeruwitz fällt weniger versöhnlich aus. Sie sagt, die Proteste seien damals von Politik und Polizei nur verwaltet worden. Kommunikation habe nicht stattgefunden. „Wien war politischer denn je.“ Doch die Dynamik sei verpufft, weil sie ins Leere lief. Und nach dem dritten Donnerstag hätten auch die Polizisten den Dreh heraußen gehabt: Sie wussten, wie man eine riesige Gruppe von Demonstranten durch die Stadt lotst, ohne dabei den Verkehr allzu sehr zu blockieren. „Heute würde ich sagen: Weil es die Donnerstags-Demos gegeben hat und weil sie zu nichts geführt haben, haben sie letztlich eine Entpolitisierung gebracht, eine ganz starke Melancholie.“

Das Signal, das von der Politik ausgesendet worden sei: Protest und Demonstrationen sind zwecklos. Die Botschaft scheint angekommen. Meinungsforscher betonen nach Nationalratswahlen in Österreich gerne: Die Wähler würden rechte Politik wählen, ohne selbst wirklich rechts zu sein. Noch immer sei vielen Österreichern die Große Koalition die liebste Regierungsform, doch die Wähler würden sich ein starkes Korrektiv wünschen. Und die innerparlamentarische Opposition, die beiden ausländerfeindlichen Parteien FPÖ und BZÖ sehen sie hierzu offenbar besser in der Lage als sich selbst.


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Jugend in Aufruhr

Jugendbewegungen finden wieder vermehrt auf der Straße statt, organisieren tun sie sich heute aber im Internet. Auf der Straße kam es zuletzt auch zur nackten Gewalt, wie in Athen oder zuvor den Pariser Banlieues. Aber wie politisch ist die Jugend heute? Gibt es politische Organisationsformen, Jugendidole? Was treibt sie? Eine Serie über Jugendbewegungen in Westeuropa und den USA.
Mehr hierzu auf ZEIT ONLINE

2008/12/25

"Sie wollten uns umlegen"










"Falter" Nr. 52/08

Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust über die Gnade gegenüber RAF-Mördern und die Krise in der Medienlandschaft

Interview: Martin Gantner


Die blutige Geschichte des Kampfes der Roten Armee Fraktion gegen den Staat ist in sechzig Meter Aktenordnern im Polizeiarchiv gesammelt. Der langjährige Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust schrieb 1985 daraus "Der Baader-Meinhof-Komplex". Vor kurzem kam eine Verfilmung des Buches in die Kinos. Der Falter sprach mit Aust über das Phänomen RAF und die Krise in der Medienbranche.


Falter: Herr Aust, der wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte RAF-Terrorist Christian Klar wurde eben freigelassen, obwohl er bis heute keine Reue zeigt. Was sagen Sie dazu?

Stefan Aust
: Wir haben in Deutschland glücklicherweise keine Todesstrafe. Eine lebenslange Haftstrafe ist in der Regel nach 26 Jahren beendet. Das ist richtig, weil man den Leuten auch die Chance geben soll, sich mit ihren Taten auseinanderzusetzen. Man darf für Terroristen keine Sondergesetze machen. Also muss das auch für einen politisch motivierten Mörder wie Klar gelten.

Ihm wird nun eine Gnade zuteil, die er selbst nicht walten ließ. Liegt darin ein demokratisches Moment, das seinen Ursprung in den Tagen des deutschen Terrorismus hat?

Aust: Der Staat hat sich in dieser Zeit im Großen und Ganzen rechtsstaatlich verhalten.

Der Staat hat also alles richtig gemacht?

Aust: Natürlich wurden für den Stammheimer Prozess eigens Gesetze gemacht, und die Polizei hat Befugnisse bekommen, die sie nicht hätte haben sollen. Aber aus der zeitlichen Perspektive betrachtet, passierte dies in einem rechtsstaatlichen Rahmen. Der Deutsche Herbst hat gezeigt, dass der Staat in der Lage ist, sich mit einer sehr ernsten Bedrohung auseinanderzusetzen.

Sie kannten Ulrike Meinhof von der Zeitschrift "konkret".

Aust: Sie war eine eindrucksvolle Persönlichkeit und konnte sehr gut argumentieren. Wenn sie in Redaktionskonferenzen etwas gesagt hat, wagte keiner zu widersprechen. Sie war von einer sehr festen politischen Grundüberzeugung, aber auch ideologisch starrsinnig und mit einem gewissen intellektuellen Hochmut ausgestattet. Sie hat Sekretärinnen behandelt, wie man das heute nicht mehr machen würde. Und ich glaube, dass sie depressiv war.

Ich hingegen war eher der bürgerliche Liberale in der Firma. Ich habe den Journalismus als Selbstzweck verstanden und nicht als Mittel zur Erreichung politischer Ziele.

Die Sprache der RAF war sehr monoton, mechanisch und emotionslos.

Aust: Es war eine Mischung aus politischem Soziologen-Kauderwelsch und Proletariatssprache. Der Versuch, Intellekt und Arbeiterklasse zu vereinen. Die Sprache ist wahnsinnig abstrakt und dadurch scheinbar bedeutungsvoll, in Wirklichkeit aber oft nichtssagend. Natürlich war die Sprache auch sehr kalt und emotionslos, weil man sich ja sonst der Ungeheuerlichkeit des eigenen Tuns bewusst sein hätte müssen. Die Terroristen begaben sich in die Position des Vollstreckers höherer Gewalt, in die Position der Geschichtsvollstrecker.

Ihnen wird gerne unterstellt, selbst einen Baader-Meinhof-Komplex zu haben, schließlich ist die RAF Ihr Lebensthema.

Aust: Ich habe viele Lebensthemen. Vielleicht hatte eher Gudrun Ensslin den Baader-Meinhof-Komplex. Ihr kann es nicht recht gewesen sein, dass die "Firmenbezeichnung" ihren Namen nicht beinhaltete. Der RAF-Terror hatte ja auch etwas von einer "heiligen Selbstverwirklichung", wie es Ensslins Vater einmal formulierte. Dann dürfte sie auch gewollt haben, dass ihr Name draufsteht.

Sie bestreiten, dass Sie der RAF erlegen sind. Was ist es dann, was sie so fasziniert hat über all die Jahre?

Aust: Es ist einfach eine wahnsinnig spannende Geschichte, andernfalls säßen wir beide jetzt nicht hier.

Sie haben auch die Töchter von Meinhof in Sizilien befreit, die als kleine Kinder in ein Terroristencamp nach Jordanien abgeschoben werden sollten. Wie kam es zu der Befreiungsaktion?

Aust: Ein Freund von mir, Peter Homann, wohnte damals mit Meinhof zusammen und geriet deswegen fälschlicherweise in Verdacht, an der Baader-Befreiung beteiligt gewesen zu sein. Und da er nicht zu Unrecht ins Gefängnis gehen wollte, hielt er es für schlauer, sich mit anderen in den Nahen Osten abzusetzen. Dort hat er erfahren, dass die siebenjährigen Zwillinge in ein Kindercamp der Fatah geschickt werden sollten. Später erfuhren wir, wo die Mädchen versteckt waren, ich flog nach Sizilien und habe die Kinder abgeholt. Das Codewort war "Professor Schnase".

Wieso?

Aust: Die Kinder hatten einen Gummifrosch als Spielzeug, den sie Professor Schnase nannten.

Die Aktion hätte Sie beinahe das Leben gekostet.

Aust: Eines Nachts kamen Andreas Baader und Horst Mahler und wollten uns umlegen. Wir wurden aber gewarnt und konnten die Wohnung über einen Seitenausgang verlassen.

Wird der Terrorismus der RAF in seiner Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgeschichte überschätzt?

Aust: Der Terrorismus und der Deutsche Herbst stellten nach 1945 die bislang größte Bedrohung für den Staat dar. Das hat sich tief in das kollektive Bewusstsein der Deutschen eingefressen, ähnlich wie der 11. September in den USA.

Die Autorin Jilian Becker sprach auch von "Hitlers Kindern". Wie faschistisch war die RAF?

Aust: Die Menschenverachtung hatte Ähnlichkeit mit dem, was im Dritten Reich passiert ist. Andererseits sind die Terroristen auch ein Stück weit geprägt von dem Protest, der sich gegen die Nichtaufarbeitung der Nazivergangenheit ihrer Eltern gerichtet hat. Ich würde das Verhalten der Gruppe aber nicht als faschistisch bezeichnen, sondern von Menschenverachtung sprechen.

Im Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" steht ganz am Ende: "Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren!" Wann haben Sie begonnen, die RAF zu sehen, wie sie war?

Aust: Mir war immer klar, wie die Sache ausgehen würde. Es hatte von Anfang an was absolut Mörderisches und Selbstmörderisches. Auch diese romantische Verklärung hab ich nie geteilt, zumal die eben auch mit gezogener Waffe vor meiner Wohnung gestanden haben.

Und das Bild in der Gesellschaft?

Aust: Spätestens mit den Bombenanschlägen und der Flugzeugentführung brach die Sympathie in sich zusammen. Da wurden in der Bevölkerung auch Rufe Richtung Todesstrafe laut.

In Sachen RAF bleibt die Frage, ob die Inhaftierten in der Nacht ihres Selbstmords abgehört wurden. Ob also die Behörden den Selbstmord hätten verhindern können.

Aust: Es waren ja Wanzen in den Zellen, auch wenn die Behörden immer behauptet haben, dass nur die Besucherzellen abgehört wurden. Das habe ich nie geglaubt, weil nicht die Gespräche zwischen Terroristen und Anwälten so interessant waren, sondern jene zwischen den Gefangenen. Es sprechen sehr viele Indizien dafür, aber nachgewiesen wurde es nicht.

Was sagt uns die Geschichte des Deutschen Herbst über den Terrorismus von heute?

Aust: Man muss daraus lernen, dass man nicht die Nerven verlieren, den Rechtsstaat nicht zerstören darf, um ihn zu erhalten. Die Einsicht, dass man nicht jedes neue Übel mit einem neuen Gesetz lösen kann. Der Blick in die USA, auf Guantánamo Bay, zeigt auch, was es heißen kann, wenn ein Präsident und seine Berater die Nerven verlieren.

Die Nerven dürften auch in der "Spiegel"-Redaktion öfter blankgelegen sein, als Sie noch Chefredakteur waren. Es heißt, die Redakteure fürchteten sich vor Ihrem rigiden Führungsstil.

Aust: Ich hab noch keinen getroffen, der sich vor mir gefürchtet hat. Wir erwarten schließlich von den Redakteuren, dass sie sich mit großen Firmen, mit Geheimdiensten, Regierungen und auch mit der Kanzlerin anlegen - da kann man doch keine Leute gebrauchen, die sich bereits vor dem Chefredakteur fürchten. Die wären beim Spiegel ohnedies falsch gewesen. Ich sage Ihnen: Wir haben mehr Geschichten gedruckt, die eigentlich nicht druckbar waren, als druckbare Geschichten nicht gedruckt.

Der "Spiegel" ist das einzige Unternehmen in Deutschland, in dem die Mitarbeiter aufgrund einer Firmenbeteiligung ihren Chef feuern können. Ist diese Konstellation sinnvoll?

Aust: Im Prinzip ja, wenn intelligente Leute gewählt werden. Die Konstruktion ist im Prinzip die richtige. Mit dieser Verantwortung muss man aber auch umgehen können.

Sie sagten einmal, Chefredakteur beim "Spiegel" zu sein, wäre der schönste Job. Fehlt er Ihnen?

Aust: Nein. Bücher schreiben und Filme machen ist eigentlich interessanter.

Es gab immer wieder Kritik, dass die rot-grüne Bundesregierung schon vor den Bundestagswahlen 2005 vom "Spiegel" niedergeschrieben wurde. War das ein Fehler?

Aust: Nein. Es waren mit die interessantesten Zeiten, in denen das Blatt seiner Rolle als kritischem Kontrollorgan gerecht wurde. Als Schröder Kanzler wurde, meinten manche, dass der Spiegel jetzt zum rot-grünen Hofberichterstatter würde. In dem Moment, wo wir deutlich machten, dass dem nicht so war, hieß es, wir würden die Regierung abzusägen versuchen. Wir sind mit der Regierung Schröder genauso kritisch umgegangen wie vorher mit der Regierung Kohl und später mit der Regierung Merkel.

Ist man für Politiker nur interessant, solange man Chefredakteur ist?

Aust: Natürlich. Ein Busfahrer ist für Sie auch nur in dem Moment von Interesse, wenn er den Bus fährt. Ich hatte eine bestimmte Funktion, und als diese stand ich auf verschiedenen Einladungslisten - als Chefredakteur eines bedeutenden Nachrichtenmagazins. Das war mir immer klar.

Von Beginn der Bundesrepublik an galt das Motto: Egal, was kommt, der "Spiegel" deckt es auf. Wird das Blatt diesem Anspruch heute noch gerecht ?

Aust: Ich glaube, der Spiegel ist heute nicht weniger bedeutsam als in den 50er-Jahren. Das kollektive Denken in diesem Land findet nach wie vor in dieser Zeitschrift statt. Das wird auch noch lange so sein.

Sind Sie sich da so sicher? Der Journalismus in Deutschland und in den USA ist schon jetzt stark von der Finanzkrise betroffen.

Aust: Krisen beschleunigen immer Trends, die ohnehin vorhanden sind. Schlecht geführte Unternehmen sind eben besonders anfällig für Krisen.

Auch beim "Spiegel" soll es Mitarbeiter geben, die das ganze Jahr über keine Zeile schreiben.

Aust: Das soll es geben.

Ist man da dann gut gerüstet für die Krise?

Aust: Sicher. Ich glaube, der Spiegel wird eine Krise besser überstehen können als andere Produkte am Markt.

Sehen Sie die Medienvielfalt durch die Einsparungen nicht in Gefahr?

Aust: Überhaupt nicht. Es gibt heute viel mehr Zeitschriften als noch vor 20 Jahren. Es ist im Gegenteil so, dass die Verlage in den vergangenen Jahren mit den Anzeigen so viel Geld verdient haben, dass sie immer neue Titel auf den Markt geworfen haben, nur um das Anzeigenvolumen auszuschöpfen. Dass es nun eine gewisse Marktbereinigung gibt und dass Titel eingestellt werden, ist normal.

In Österreich klagt man darüber, keine "Süddeutsche Zeitung" oder keinen "Spiegel" zu haben. Woran liegt das?

Aust: Es gab in Österreich mit dem profil immer ein Pendant zum Spiegel. Dann kamen hier wie dort neue Magazine auf den Markt. In Deutschland Focus und in Österreich News. Wir haben uns dann so positioniert, dass Focus uns nicht überholen konnte. In Österreich hat News profil übernommen. Das hätte analog in Deutschland auch passieren können. Ist es aber nicht.

Ihr Auflösungsvertrag als Chefredakteur läuft noch bis 31.12. 2008. Was bringt 2009?

Aust: Ich bin Journalist, und das werde ich auch weiterhin bleiben. Aber sonst keine weiteren Details.

Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihre erste Geschichte?

Aust: Nein. Ich habe anfangs wenig geschrieben, weil ich etwa bei der Schülerzeitung Leute hatte, die das besser konnten. Ich wollte immer Blatt machen, Ideen entwickeln, Titel und Zeilen texten. Das Schreiben musste ich mir mühsam aneignen. Das habe ich erst gelernt, als ich Filmtexte und Bücher verfasste. Jetzt geht es einigermaßen.


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Zur Person

Stefan Aust ist deutscher Journalist und RAF-Experte. Er war mit der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof Redakteur bei der Zeitschrift konkret. Von 1994 bis 2008 war der heute 62-Jährige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Mit Ende des Jahres läuft sein Spiegel-Vertrag aus. Aust wurde aber bereits im Februar 2008 vom Chefredakteursposten freigestellt. Mitarbeiter warfen ihm damals schlechten Führungsstil und mangelnde Innovationen vor


foto www.falter.at

2008/12/24

Der Kampf der Roten Armee Fraktion gegen den deutschen Staat












"Falter" Nr. 52/08

Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin - Namen, die wie keine anderen für den Terror stehen, der Deutschland vor allem in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts im Griff hatte. 34 Morde, zahlreiche Banküberfälle, Bombenanschläge und eine Flugzeugentführung gehen auf das Konto der Roten Armee Fraktion, auch Baader-Meinhof-Gruppe genannt.

Ihr Terror richtet sich gegen Vietnamkrieg, Kapital, bürgerliches Leben und den nicht aufgearbeiteten Nationalsozialismus. Insgesamt drei Generationen, rund 60 Terroristen führen eine damals noch junge Republik an den Rand einer Staatskrise. Die Bilder des Terrors fanden Eingang in das kollektive Gedächtnis der Deutschen: der Radical Chic einer Gudrun Ensslin und eines Andreas Baader, mit Sonnenbrille und Zigarre im Gerichtssaal. Vor allem aber sind es Bilder wie jenes von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, der von der RAF als Geisel genommen und ermordet wurde.

Der Höhepunkt des Terrors ist in den Monaten September und Oktober des Jahres 1977 erreicht - der Deutsche Herbst. Ziel ist, die RAF-Mitglieder der sogenannten Ersten Generation freizupressen. Meinhof beging bereits 1976 in ihrer Zelle Selbstmord.

Als am 18. Oktober 1977 die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut in Mogadischu gewaltsam beendet wird, tun es ihr Baader, Ensslin und Raspe in Stammheim gleich. Der Journalist Stefan Aust schließt bis heute nicht aus, dass die Zelleninsassen in der Todesnacht belauscht wurden, ihr Selbstmord verhindert hätte werden können. Zu dieser Zeit tauchen erstmals prominente Namen wie Gerhard Schröder oder Otto Schily auf. Der spätere Bundeskanzler und Innenminister, beide SPD, waren Anwälte von RAF-Terroristen. Schröder vertrat Horst Mahler, Schily Gudrun Ensslin. Der Stoff wurde mehrmals verfilmt. Zuletzt unter der Regie von Uli Edel und Bernd Eichinger nach einer Buchvorlage von Stefan Aust.


foto auf www.flickr.com von yaratmak

2008/12/23

Die Krise verdirbt der Medienbranche die gute Laune

Zeitungen und Illustrierte


bild flickr.com von finistere




"Falter" Nr. 52/08


Die Situation ist pervers: Selten wurden Nachrichten so stark nachgefragt wie während der gegenwärtigen Finanzkrise. Gleichzeitig geht es den Zeitungen so schlecht wie lange nicht. Die Finanzkrise ist auch eine Medienkrise. Überall wird gespart, gekürzt oder umgesiedelt.

Die Probleme sind zum Teil altbekannt: Auflagenschwund durch das Internet sowie alte, unflexible Strukturen. Hinzu kommen immer niedrigere Anzeigenerlöse. Unternehmen sparen bei der Werbung und somit die Verleger beim Personal.

Die Betroffenen: renommierte Blätter wie Los Angeles Times, Chicago Tribune, Süddeutsche Zeitung oder Financial Times Deutschland. Die Verlagsgruppe Holtzbrinck muss bei Handelsblatt und Wirtschaftswoche sparen. Bei der Süddeutschen Zeitung ist ein deutlicher Stellenabbau geplant. Weitere 110 Mitarbeiter werden beim norddeutschen Verlag Gruner + Jahr (G+J hält 56 % an der Österreichischen News-Gruppe) eine Kündigung erhalten, Redaktionen in München und Köln werden geschlossen, 50 neue Stellen in Hamburg geschaffen. Einige Titel des Verlags sollen radikal umstrukturiert werden, Redakteure künftig für mehrere Produkte gleichzeitig arbeiten.

Die Essener WAZ-Gruppe will mindestens 30 Millionen Euro einsparen und den Umfang einiger Tageszeitungen reduzieren. Klassische Ressorts sollen aufgelöst und von zentralen "Content-Desks" beliefert werden. Etwa 260 Mitarbeiter könnten ihren Arbeitsplatz verlieren. Nicht nur Printmedien, auch die Fernsehbranche muss den Gürtel enger schnallen. Der ORF bastelt an einem Sparprogramm, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft möchte 2009 zwanzig Millionen Franken weniger ausgeben.

Den deutschen Medien ist angesichts der Krise bereits das Feiern vergangen. Der Axel-Springer-Konzern, Herausgeber von Bild und Die Welt, hat kürzlich sämtliche Feiern, Empfänge und Galas im Jahr 2009 abgesagt.

2008/12/15

Porno, na und?














Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 15.12.2008

Seit Jahren warnen Medien vor der "Generation Porno". Angeblich schwappt eine Welle von Sexsüchtigen übers Land, angetrieben durch leicht zugängliche Angebote im Internet. Auf Spurensuche zwischen Hysterie und Wirklichkeit.


"Ich habe als Teenie mit Selbstbefriedigung begonnen: hab Praline-Heftchen angekuckt, 'Eis-am-Stiel'-Videos geschaut. Doch mit dem Internet wurden auch harte Pornos täglich verfügbar."

Auftakt eines Gesprächs. Laurenz M.* ist 28 Jahre alt und hat soeben sein Studium abgeschlossen. Mathematik und Physik auf Lehramt. Das Gespräch mit ihm dauert eine Stunde. Er erzählt, wie sich sein Pornografie-Konsum allmählich gesteigert hat und wie er darunter gelitten hat, Tag für Tag vor seinem Computer zu sitzen und sich Pornos anzuschauen. "Die Videos wurden exzessiver im Inhalt. Harte Pornos mit allem drum und dran. Das Einfache hat irgendwann einfach nicht mehr gereicht."

Oft hält Laurenz inne, wägt ab und redet doch immer weiter. Er möchte anderen vermitteln, dass sie mit ihrem Problem nicht allein sind. Denn Laurenz und viele Experten sind sich sicher, dass "sie" viele sind. Viele, die bequem vom Schreibtisch aus ganze Nächte lang auf der Jagd nach dem perfekten Bild, dem perfekten Reiz sind.

Und verschiedenste Zahlen scheinen ihnen recht zu geben. Seit Jahren ist in den Medien die Rede von einer "Generation Porno", von einem Heer verrohter Jugendlicher und erwachsener Männer, die durch ihre Sucht abseits des Webs unfähig sind, Liebe und Sexualität erfüllt zu erleben, und die sich zunehmend selbst isolieren.

Volkssucht oder Hysterie?

Laut Internet Filter Reviews 2006 sind es inzwischen weltweit 72 Millionen User monatlich, die pornografische Seiten besuchen. Das Angebot steigt mit der Nachfrage. Täglich würden rund 266 neue Seiten mit pornografischem Inhalt ins Netz gestellt.

Laurenz merkte, dass die Online-Pornografie zu einem fixen Bestandteil seiner Sexualität wurde. Nach mehr als zehn Jahren meinte Laurenz, nicht mehr frei über sein Verhalten entscheiden zu können, und gestand sich ein: "Ja, ich bin süchtig."

Peer Briken will einer solchen Einschätzung nicht voreilig zustimmen. Briken arbeitet am Institut für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er sagt: "Die Wissenschaftler streiten schon lange darum, ob es sich bei solchen Phänomenen um eine Sucht handelt." Briken kennt Laurenz nicht und möchte sein Leid auch gar nicht in Abrede stellen. Wogegen sich Briken aber wehrt, ist die zunehmende mediale Hysterisierung, die in diesem Zusammenhang um sich greift.

"Wir wissen, dass es Menschen gibt, für die der Konsum von Pornografie problematisch und unter Umständen auch suchtähnlich werden kann. Andererseits ist das quantitative Ausmaß sexueller Aktivität allein kein hinreichender Maßstab für eine psychische Störung. Genau sagen kann man nicht, bei wie vielen Menschen ein Problem besteht. Empirische Daten fehlen." Briken vergleicht das mit der Debatte über die Wirkung von gewaltverherrlichenden Videospielen auf das Verhalten von Jugendlichen.

Gewissheit im Einzelfall sei weder bei Videospielen, noch beim Konsum von Pornografie gegeben. Die Scham der Betroffenen, offen über das Thema zu sprechen, ist enorm. Ein Effekt, der durch die aktuelle Berichterstattung noch verschärft wird.

Immer wieder wird der Eindruck vermittelt, Pornografie funktionierte im Netz wie eine Droge. Einmaliger Konsum könne genügen, um in Abhängigkeit zu geraten und um auf eigene perverse Neigungen aufmerksam zu werden, von denen man zuvor nichts wusste. Die Zeitschrift Emma hat in einer ihrer Ausgaben gar einen direkten Zusammenhang zwischen Online-Sexsucht und Pädophilie hergestellt. "Das Pornoangebot kann 'normale' Nutzer zu Pädophilen machen", heißt es in dem Artikel.

Seriöse Studien fehlen

Ein Rückschluss, den David Goecker nicht teilen kann. Goecker ist Mitarbeiter eines renommierten Projekts am Berliner Charité. In dem Projekt werden pädophile Männer therapiert. Die sexuelle Präferenz, sagt Goecker, liege bereits vor dem Konsum von Kinderpornografie vor.

"Inwieweit sich das sexuelle Verhalten eines Menschen durch den Konsum von Pornografie verändert, inwiefern Impulse auf das eigene Erleben von Sexualität übertragen werden, kann seriös nicht gesagt werden." Auch Laurenz kann diese Schlussfolgerungen nicht bestätigen. Er hatte auch neben dem Konsum von Pornografie noch regelmäßig Sex mit seiner Freundin. Mit Kinderpornografie kam er nie in Berührung.

Seit drei Monaten macht er nun eine Therapie mit Einzelgesprächen. Der Schritt an die Öffentlichkeit und die Gespräche in der Therapie haben ihm geholfen, mit seinem Problem umzugehen. Rückfälle hat es zwar gegeben, doch insgesamt schaut er wesentlich weniger Pornos.

Aber Laurenz muss sich vor sich selbst schützen: Der Computer ist mit speziellen Spamfiltern ausgestattet und wird überhaupt weniger genutzt. Er liest wieder mehr Bücher und zwingt sich abends, den Computer auszuschalten. Auch Computerspiele sind tabu. "Ich möchte meine Bedürfnisse im Griff haben", sagt er.

Doch die Frage bleibt: Sind Fälle wie jener von Laurenz Ausnahme oder Regel? Sind die Berichte von epidemischen Auswüchsen übertrieben? Der deutsch-österreichische Psychiater Richard von Krafft-Ebing beschrieb bereits Ende des 19. Jahrhunderts sich störend auswirkende Sexualitätsformen. In seiner Psychopathia sexualis schrieb Krafft-Ebing von einem "Geschlechtstrieb (...), der das ganze Denken und Fühlen in Beschlag nimmt, nichts anderes neben sich aufkommen lässt, (...) brunstartig nach Befriedigung verlangt, (..), sich mehr oder weniger impulsiv entäußert, (..) und gleichwohl, nach vollzogenem Geschlechtsakt nicht oder nur für kurze Zeit befriedigt".

Pornosuche als Symptom

Aber auch wenn die Sucht nach Sex sich schon damals ähnlich äußerte wie heute: Noch nie war es so einfach, an pornografisches Material zu kommen. Das wissen auch die Wissenschaftler Briken und Goecker. Doch "die Pornosuche im Netz ist meist nur ein Symptom", sagt Briken. "Oft liegen Bindungs- oder Beziehungsstörungen, manchmal auch Depressivität oder Ängste bei den Betroffenen vor."

Einig sind sich beide, dass der Konsum für erwachsene, in ihrer Sexualität gefestigte Personen auch durchaus unproblematisch und nutzvoll verwendet werden kann. Menschen mit suchtähnlichen Symptomen würden sicher nicht das Gros der Bevölkerung darstellen, auch wenn das immer wieder behauptet würde.

Die Öffentlichkeit der Sexualität

Unter Medizinern und Therapeuten ist es auch längst keine ausgemachte Sache, welche Diagnose und welche Therapieformen für die Betroffenen sinnvoll sind. Doch so viel steht fest: Viele, die sich selbst als sexsüchtig bezeichnen, sind es nach Einschätzung der Experten nicht. Laut Bricken gebe es eine Gruppe von Patienten, die man nach ausreichender Untersuchung einfach darüber aufzuklären sollte, dass ihr Verhalten in der Spannbreite des Normalen liege und dass sie nicht sexsüchtig seien. "Es dürfte vermutlich einfacher sein, dem Problem auf der Ebene des Individuums Abhilfe zu schaffen."

"Dass wir das Thema als so ein gewaltiges Problem wahrnehmen, steht auch für etwas anderes", sagt Bricken, "Sexualität wird heute einfach an sehr vielen Stellen, in den Medien und im öffentlichen Raum verhandelt. Es liegt meiner Ansicht nach an einem sehr voyeuristischen und exhibitionistischem Zugang zu dem Thema.“

*Name von der Redaktion geändert.



foto auf flickr von Sarah S Zanetti

2008/12/05

Ein Riese gerät ins Wanken

















Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 5.12.2008

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk droht in Österreich die Insolvenz. 1000 Stellen sollen abgebaut werden. Es ist die bislang größte Krise in der Geschichte des Senders


"Der österreichische Rundfunk sendet Nachrichten", lautet ein Uraltslogan des ORF. Man könnte hinzufügen: "In den letzten Wochen nur noch schlechte." Die Finanzkrise hat den Quasi-Monopolisten in Österreichs Rundfunklandschaft kalt erwischt: 100 Millionen Euro Schulden allein im Jahr 2008, weitere 30 Millionen sollen 2009 hinzukommen. Schuld an der derzeitigen Situation sind laut ORF-Geschäftsführung eine Troika aus Europameisterschaft, Olympischen Spielen und Finanzkrise. Durch Letztere verlor die Stiftung öffentlichen Rechts 20 Millionen Euro an Werbeeinnahmen. Auch die Wertpapiere des öffentlich-rechtlichen Senders haben stark unter der Wirtschaftskrise gelitten: Rund 40 Millionen Euro Verlust.


Was nun folgen soll, sorgt unternehmensintern für Aufregung. ORF-Chef Alexander Wrabetz kündigte ein umfassendes Sparpaket an, um den ORF vor der "Insolvenz" zu retten: Bis 2012 sollen 1000 der 3420 Stellen abgebaut und 300 Mitarbeiter in auszugliedernden Unternehmensteilen untergebracht werden. Facility-Management und Radio-Sinfonieorchester werden ausgelagert und auch der Standort am Küniglberg selbst steht zur Disposition. Fraglich ist laut Medienberichten außerdem, ob der ORF künftig – angesichts der hohen Kosten – die Rechte für Champions League, Formel 1 und Bundesliga weiterhin kaufen kann und will.

Dabei hatte vor zwei Jahren alles so viel versprechend begonnen. Als Wrabetz zum neuen Generaldirektor des ORF gewählt wurde, war ein Hauch Obamania in Österreich zu spüren. Er verkörperte den "Change" in einem Unternehmen, das Reformen bitter nötig hatte. Viel war im Frühjahr des Jahres 2006 von "Schwarzfunk" und "Kasernenhof" die Rede. Der ORF stand stark unter dem Einfluss der österreichischen Regierungsparteien. Mit Wrabetz gewann dann ein Außenseiter die Wahl zum neuen Chef des ORF.

"Er hat nun nahezu sein gesamtes Startkapital verspielt", sagt Gerhard Moser im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Moser ist Zentralbetriebsratschef im ORF und steckt gerade in Lohnverhandlungen mit der Geschäftsführung. "Angst, Resignation und Wut", so beschreibt er die Stimmung in den einzelnen Redaktionen am Küniglberg. Noch vor vier Jahren hätte Wrabetz, damals als kaufmännischer Direktor, ein neues, fortschrittliches Dienstrecht maßgeblich mitgestaltet. Und eben jenes Dienstrecht steht nun wieder zur Disposition, ärgert sich Moser. Konkret müssen 300 Mitarbeiter mit einer Änderungskündigung rechnen. Das bedeutet, dass sie ihre Anstellung wieder verlieren sollen, um in der Folge weiterhin als freie Mitarbeiter für den ORF zu arbeiten. "Das ist neoliberale Wirtschaftspolitik."

Der Unmut ist seither enorm. Die Redakteure fürchten eine "Aushungerung redaktioneller Bereiche". Sie kritisieren, dass Wrabetz "zwar ausführlichste Vorstellungen zum Abbau hunderter Mitarbeiter und zur Verschlechterung von Verträgen - ausgenommen Direktorenverträge - präsentiert, aber keinerlei Vorstellungen zu grundsätzlichen Entwicklungen des Programmangebots". Problematisch könnte der Stellenabbau vor allem für junge Mitarbeiter werden, bei denen keine so hohe Vertragssicherheit gegeben ist wie bei alt gedienten Redakteuren, sagt Moser.

Das Kalkül dahinter: 2007 verrechnete der ORF durchschnittlich 92.000 Euro Personalkosten pro Mitarbeiter. Um einiges günstiger sind Beschäftigte in den ORF-Tochterunternehmen (durchschnittlich 35.000 Euro). Doch horrende Direktorengehälter und eine Jobgarantie für einen Programmdirektor, der maßgeblich für eine gescheiterte Programmreform verantwortlich gemacht wird, schwächen die Verhandlungsmacht von Wrabetz.

Moser hält die Gesprächsbasis mit der Geschäftsführung jedenfalls für "gestört". Viele Mitarbeiter nehmen dem ORF-Chef seinen Auftritt vergangene Woche noch immer übel. Ausgeleuchtet in einem Studio, in dem ansonsten das österreichische Pendant zu Deutschland sucht den Superstar produziert wird, überbrachte der ORF-Chef die Hiobsbotschaft via Intranet. In einem Separée anbei saßen Journalisten anderer Medien, um über die Sparpläne zu berichten. Seither wird die Zukunft des größten Mediums im Land öffentlich verhandelt. Selbst die Uraltidee einer Teilprivatisierung des ORF wurde wieder in den Ring geworfen. Ein Name, der in diesem Zusammenhang gerne genannt wird: Der jetzige RTL-Chef und frühere Generaldirektor des ORF Gerhard Zeiler. Doch Zeiler hat bereits öffentlich verlauten lassen, keinen der beiden ORF-Sender übernehmen zu wollen.

Falls es früher oder später tatsächlich zur Teilprivatisierung kommen sollte, böte sich auch Raiffeisen als Interessent an. Laut Tageszeitung Standard soll die Bank die Mehrheit an der ORF-Sendetechniktochter ORS übernehmen. "Wenn der ORF die Mehrheit abgibt, ist Raiffeisen bereit, diese zu übernehmen", wird ein Generaldirektor zitiert. Ob man sich auch den Kauf eines der beiden ORF-Sender vorstellen könne? "Ich schließe für die Zukunft nichts aus."

Doch soweit will es Moser gar nicht erst kommen lassen. "Der Betriebsrat hat durchaus fantasievolle Mitglieder und auch in der Belegschaft ist das kreative Potenzial groß." Und dieses Potenzial, so Moser, könne sich entweder am Verhandlungstisch oder in kreativen Protestmaßnahmen entfalten.


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Super Nannys im Vergleich















© ZEIT ONLINE 5.12.2008 - 11:00 Uhr

Der Kommunikationswissenschaftler Jürgen Grimm hat die deutsche Super Nanny mit denen aus Österreich und Großbritannien in einer Studie verglichen. Ein Interview


ZEIT ONLINE: Herr Grimm, wie unterscheidet sich die deutsche Nanny, Katharina Saalfrank, von ihren Kolleginnen in Großbritannien und Österreich?

Jürgen Grimm: Die britische Nanny ist von allen drei die wohl autoritärste mit den striktesten Erziehungsmaßnahmen. Sie arbeitet auch noch mit der sehr umstrittenen Maßnahme "Stille Treppe", also einem Ort, an den das Kind gebracht wird, wenn es rebelliert. Am wenigsten autoritär war die Nanny in Österreich, das Format wurde jedoch eingestellt. Die Super Nanny in Deutschland, Frau Saalfrank, befindet sich irgendwo dazwischen. Sie hat ihre Rolle im Laufe der Zeit auch anders angelegt.

ZEIT ONLINE: Zu welchem Ergebnis sind Sie in Ihrer Studie gekommen?

Grimm: Wir haben festgestellt, dass die Qualität der Ratschläge in diesen Sendungen besser ist, als es die kritische, öffentliche Debatte vermuten lässt. Die Super Nannys pflegen überwiegend einen demokratischen Erziehungsstil, der auch von einer Mehrheit der Pädagogen favorisiert wird. Wir haben auch die Reaktion des Publikums untersucht und ein klares Orientierungsbedürfnis festgestellt. Es geht weniger um Sensationslust, sondern um den Versuch, die dargestellten Situationen, die gegebenen Ratschläge und die eigene Lebenssituation miteinander zu vergleichen.

ZEIT ONLINE: Sind diese Sendungen also pädagogisch wertvoll?

Grimm: Sie können durchaus effektiv sein. Die Tatsache, dass vor Ort in den Familien agiert wird, scheint sehr sinnvoll zu sein. Aber auch die Gegenwart einer Kamera führt oft zu einer Reflexion der eigenen Situation. Die Beteiligten beginnen, über sich und die eigenen Probleme nachzudenken. Und das ist für die Veränderung einer problematischen Erziehungssituation durchaus förderlich.

ZEIT ONLINE: In Österreich wurde die Sendung jedoch abgesetzt.

Grimm: Warum das passiert ist, ist mir auch nicht völlig klar. Der Erfolg der Sendung hat in Wien auch dazu geführt, dass das Jugendamt das Konzept der Nanny aufgegriffen hat. Sandra Velásquez hilft hier mit, die Familienberatung zu reformieren. Sie hat Schulungen gegeben, um ihre Erfahrungen aus der Fernsehwelt mit den Mitarbeitern des Jugendamtes zu teilen.

ZEIT ONLINE: Die Sender leisten also erzieherische Maßnahmen?

Grimm: Natürlich geht es den Sendern erst einmal um Quote, aber in vielen Fällen können durch den Eingriff der Super Nanny die Familienverhältnisse verbessert werden. Wenn dann ein Fall scheitert, dann ist das keine Hiobsbotschaft. Diese Sendung kann sich über Widerstände und Probleme auch nur begrenzt hinwegsetzen. Es gibt auch für die Techniken der Super Nanny keine Erfolgsgarantie. Aber die Krise betrifft auch die professionelle Erziehungsberatung.

ZEIT ONLINE: Wo sehen Sie konkret Veränderungsbedarf am Format?

Grimm: Wir haben nach Veröffentlichung der Studie vor allem kritisiert, dass es eine starke Fixierung auf Mütter gibt. Väter spielten als Erzieher praktisch keine Rolle. Das hat sich verbessert. Ansonsten richtet sich die Kritik vor allem an einzelne Erziehungsratschläge, die erteilt werden: Beispielsweise steht bei der englischen Nanny die direkte Interaktion mit dem Kind stark im Vordergrund. Das hat manchmal einen sehr reglementierenden Charakter. In Österreich und Deutschland ist dahingegen die Arbeit mit den Eltern zentraler.

ZEIT ONLINE: Und aus Sicht der Teilnehmer?

Grimm: Es gibt einen Interessenskonflikt zwischen den Familien und den Zuschauern zu Hause. Für letztere bietet die Sendung vor allem Erfahrungsmaterial. Da ist es nicht entscheidend, ob vorbildhaft agiert wird oder nicht. Das Publikum macht sich seinen eigenen Reim auf die Sache. Wenn etwas schief läuft, ist es für die teilnehmenden Familien viel problematischer. Die Reaktionen sind daher auch sehr gemischt: Manche Teilnehmer waren wirklich begeistert und haben anschließend eine professionelle Beratung aufgesucht, andere wurden jedoch sehr enttäuscht.

ZEIT ONLINE: Worauf führen Sie den Erfolg der Reality-Formate zurück?

Grimm: Es gibt offenbar ein starkes Bedürfnis, gesellschaftliche Fragen öffentlich zu verhandeln. Die Sendung hat schließlich auch dazu geführt, dass das Erziehungsthema viel stärker diskutiert wurde. Im Gegensatz zu früher, als es nur öffentlich-rechtliche Sender gab, hat Fernsehen heute keinen bloßen erzieherischen Auftrag mehr. Es geht heute viel stärker um Bedürfnisse des Massenpublikums. Bildungsfernsehen ohne Frontalunterricht und ohne erzieherische Absicht.

ZEIT ONLINE: Sie sehen Reality-TV sozusagen stärker als Lebensberatung?

Grimm: Ja, auch ein Spielfilm bietet Orientierung. Man geht in die Figuren hinein und vergleicht sich mit ihnen. Das Publikum sucht ganz einfach nach Lösungsmöglichkeiten für ihre Probleme.

ZEIT ONLINE: Reality-TV wird ja immer wieder totgesagt. Zu früh?

Grimm: Ja, denn andernfalls müsste der Alltag selbst unproblematisch werden, was er aber nie wird. Es wird immer Situationen geben, in denen man sich behaupten muss, in denen man zu kämpfen hat und daher besteht auch immer Kommunikationsbedarf. Es hängt einzig von der Fantasie der Produzenten ab. Oft wissen die aber gar nicht, warum ihr Format erfolgreich ist oder nicht. Bei Big Brother hat sich das sehr schön gezeigt. Als nach der ersten Staffel die Quoten gesunken sind, haben sie versucht, mit mehr nackter Haut dagegenzuhalten. Das war aber exakt das, was nicht die Attraktivität des Programms für die Zuschauer ausgemacht hat. Der Vergleich mit der eigenen Lebenssituation hinkte dadurch auf einmal.

Fragen von Martin Gantner





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Jürgen Grimm

Jürgen Grimm ist seit 2004 Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Außerdem ist er Leiter des Methodenforums der Fakultät für Sozialwissenschaften. Er leitete eine Länder vergleichende Inhaltsanalyse der Super Nanny-Sendungen in Großbritannien, Deutschland und Österreich. Vor seiner Wiener Zeit lehrte und forschte Grimm an verschiedenen deutschen Universitäten.





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Profitabler Fußball in Krisenzeiten



















Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 3.12.2008


Die TV-Rechte sind vergeben, der Spielplan wird geändert: Verlierer sind die Amateurfußballer. Für die Profiklubs könnte die Finanzkrise zur Gefahr werden


Vergangene Woche wurde es vollzogen: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) kassiert in den kommenden vier Jahren satte 1,65 Milliarden Euro für die Fernsehrechte der Ersten und Zweiten Bundesliga. Das ist mehr als unter den widrigen Umständen erwartet worden war. Von Finanzkrise anscheinend keine Spur.

Im Gegenteil: Der Kontrakt spült den Profivereinen mit durchschnittlich 412 Millionen nach Angaben des Dachverbandes jährlich sogar sieben Millionen Euro mehr in die Kassen. Auch für die Fans vorm Fernseher bleibt prinzipiell alles beim Alten: Sie können sich Fußball wie bisher auf Premiere, ARD und ZDF anschauen.

Soweit so gut. Doch die neuen Gegebenheiten, allen voran die neuen "Salami"-Spielpläne, bringen auch Verlierer hervor: Frank Juchert, Vorsitzender des Bezirksligisten TuS Bodenteich macht sich Sorgen, weil ab der nächsten Saison ein Sonntagsspiel der Bundesliga um 15.30 Uhr angepfiffen wird und damit zur Kernzeit des Amateurfußballs. Die Allgemeine Zeitung zitiert aus einem Brief, den Juchert dem Vorsitzenden der Ehrenamtskommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Karl Rothmund, geschrieben hat: Das "Nebeneinander von Amateur- und Profifußball sichert den Amateuren Nachwuchs und Besucher, weil die Spiele nicht mit Übertragungen der Bundesliga kollidieren und dient der Kommunikation auf dem Sportplatz. Alles das wird durch eine Ausdehnung der Spielzeiten zerstört."

Letztlich sah sich auch DFB-Präsident Theo Zwanziger genötigt, laut über Ausgleichszahlungen für Amateurvereine nachzudenken: "Wird der Nachweis zweifelsfrei erbracht, sind für betroffene Vereine Ausgleichssysteme denkbar."

Unklar ist auch, was die neuen Verhältnisse für die Sportschau bedeuten werden. Zwar hat die ARD erstmals auch die Rechte für die Zusammenfassung der Sonntagsspiele erworben. Doch durch das neu eingeführte Spiel am Samstag um 18.30 Uhr, vermutlich oft ein Top-Spiel, bekommt die Sportschau zeitgleiche Konkurrenz auf Premiere.

Dirk Huefnagel hat die Entwicklungen der vergangenen Wochen sehr aufmerksam verfolgt. Huefnagel ist Vorsitzender der "S 20", der wichtigsten Interessenvertretung für Sponsoren in Deutschland. Seine Aufgabe ist es, Kunden wie adidas, Coca Cola, Telekom oder Toyota lukrative Sponsoring-Verträge zu verschaffen. "Das Samstagsspiel um 18.30 Uhr bei gleichzeitiger Zusammenfassung im Free-TV ist grundsätzlich eher kritisch zu sehen, da dies letztlich zulasten der Fans und eventuell auch der Sponsoren gehen könnte. Diese Entwicklung müssen wir genau beobachten." Verliert die Sportschau an Zuschauern, verlieren der Fußball und die Sponsoren an Reichweite.

Grundsätzlich begrüßt Huefnagel im Gespräch mit ZEIT ONLINE aber die Rechtevergabe und den neuen Spielplan. "Der Fußball wird auch weiter von der breiten Masse wahrgenommen werden." Wichtigste Währung für die Werber ist schließlich Öffentlichkeit. "Und neue Anstoßzeiten bieten die Möglichkeit, neue Sponsoring-Formate zu kreieren."

Von der Frage, wann ein Spiel wo gezeigt wird, hängen viele Dinge ab. Erläutern lässt sich das gut am FC Bayern München: Jürgen Klinsmanns Truppe ist seit Kurzem Nummer Eins in Europa – zumindest in der Frage, welche Mannschaft am meisten Geld für Trikotsponsoring erhält. Denn niemand gibt mehr Geld für Trikotwerbung aus als die Deutsche Telekom. Laut einer Studie des Kölner Instituts "Sport+Markt" erhält der Deutsche Meister 20 Millionen Euro für den Schriftzug auf den Trikots. "Sponsoren haben natürlich ein großes Interesse an der breiten Öffentlichkeit und daher an Formaten wie der Sportschau im Free-TV", sagt Stephan Schröder, Mitglied der Geschäftsführung "Sport+Markt".

Die Bundesliga liegt mit 102,9 Millionen Euro Sponsoring-Einnahmen deutlich vor ihrer Konkurrenz in anderen Ländern. Zum Vergleich: Englands Premiere League akquiriert 85,5 Millionen Euro, Spaniens Primera Division gar nur 42,2 Millionen Euro. Die Premiere League in England profitiert dagegen von traditionell hohen Einnahmen mit TV-Rechten, weit mehr als die Bundesliga.

Aus der Studie geht zudem hervor, dass die Finanz- und Versicherungsbranche mit 80,7 Millionen Euro europaweit am meisten Geld für Trikotsponsoring ausgibt. Nicht so in Deutschland. Zurzeit ist nur die Citibank bei Werder Bremen auf Spielertrikots zu finden. Versicherungen und Finanzdienstleister drucken ihre Namen in Deutschland nicht auf Trikots, sondern gleich auf ganze Stadien: Allianz Arena in München, der Signal Iduna Park in Dortmund, die Commerzbank-Arena in Frankfurt oder die Nordbank-Arena in Hamburg.

In Deutschland ist die Sponsoring-Landschaft breiter aufgestellt als in anderen Ländern, bestätigt Schröder. "Ich gehe aber dennoch davon aus, dass in den nächsten Jahren der ein oder andere Finanzdienstleister seine Verträge nicht mehr verlängern wird." Ein Grund, weshalb der europäische und auch der deutsche Fußballmarkt bis dato von der internationalen Finanzkrise noch nicht betroffen sind, liegt zum einen daran, dass Verträge längerfristig abgeschlossen werden und zum anderen an der Tatsache, dass Fußball nach wie vor eine der Topplattformen für Werbezwecke ist. "Aber die Gefahr besteht durchaus, dass, wie bei Sparmaßnahmen oft üblich, zuerst die Sponsoring-Verträge gekündigt werden, weil sie in ihrer Wirkung nur schwer messbar sind und hohe Streuverluste aufweisen.“ Für den deutschen Fußball könnte das Problem dann schlagender werden als für andere europäische Ligen.


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2008/12/02

Das Flex in Wien will nicht zusperren
















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ALLEFLEX FILESMEDIEN


Die polizeiliche Kulturarbeit im Flex

Seit August ist Schluss mit lustig. Beinahe täglich parken sich gegen 4 Uhr Polizeiautos und Busse vor dem Flex ein und kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Barsperrstunde. Nun ist das Flex eigentlich keine Bar, sondern vielmehr ein Veranstaltungsort für moderne, urbane und alternative Musikgenres abseits von Kommerzhütten a la Praterdome und Nachtschicht. Genaugenommen, der erfolgreichste und beliebteste Club laut diversen Rankings, wie der 1. Platz als beliebtester Musik Club Österreichs im Radio FM4 Publikumsvoting 2007 belegt.

Besagte Kommerzdiscos haben selbstverständlich eine Sperrstundenerstreckung bis 6°°.
Diese wird dem Flex seit nunmehr 13 Jahren verweigert- von der Polizei als zuständige Behörde verweigert. Begründung: Das FLEX habe bereits die Sperrstunde übertreten und um das Lokal gäbe es zu viele Straftaten. Genaugenommen 600 polizeiliche Anzeigen im Zeitraum 1.Jänner 2008 bis September 2008, wegen Raubüberfall, Körperverletzung, Diebstahl, Drogenhandel und, und, und.

Dem möchten wir gar nicht widersprechen. Im Gegenteil: Die Dunkelziffer ist viel höher.
Gerade deswegen intervenieren wir vom Flex seit Jahren im Rathaus, dass die Polizei gegen die Drogenszene im Bereich Augartenbrücke und U- Bahn Station Schottenring vorgeht und unsere Gäste vor Übergriffen schützt. Genaugenommen begann der ganze Spuk vor 3 Jahren mit der Zerschlagung der "Drogenszene Schwedenplatz". Diese wurde dem Flex regelrecht vor die Haustür getrieben und es entwickelte sich im Bereich Augartenbrücke mangels polizeilicher Verfolgung eine Art Drogennaschmarkt inklusive Jahrmarktgeschrei.

Aufgrund unserer ständigen Beschwerden wurde ab Juli 2008 die Polizeiarbeit auf der Augartenbrücke und Umgebung intensiviert. Im Zuge dieser Offensive fiel einigen Inspektoren der alte leidige Flex Schwachpunkt, die Sperrstunde, wieder ein. Sogleich wurde dann täglich kontrolliert. Dabei kam es auch zu so absurden Situationen, wo die Dealer die ganze Nacht unbehelligt im Spalier beim Brückenabgang Heroin, Kokain, Ecstasy und Haschisch verkauften und die Polizei um 4°° mit 15 Mann das Flex schlossen und das oft in einem Tonfall, der allen Besuchern und Mitarbeitern das Gefühl geben musste, man sei böse und schlecht, wenn man überhaupt dort ist.

Selbstverständlich haben wir die Sperrstunde übertreten. Genaugenommen kann ein Club von der Grösse des Flex mit den vielen Künstlern, die sehr teuer eingeflogen werden ohne Sperrstundenverlängerung nicht überleben. Das ist genau der Punkt. Weite Teile des Polizeiapparates möchten das Flex gerne schliessen. Zumindest aber, uns das Leben so schwer wie möglich machen: Keine Dealerverfolgung ohne ständige Intervention und rigorose Sperrstundenkontrollen. Die Begleitkriminalität wird dem Flex in die Schuhe geschoben. Oft gehörter Satz von Polizisten: " Gäbe es kein Flex, gäbe es auch keine Drogen".
Jawohl, ohne Banken keine Banküberfälle und ohne Autos keine Autounfälle.

Diese polizeilichen Anfeindungen verfolgen uns seit 1993, als die Bauverhandlungen zur Errichtung des Flex stattfand. Seither fanden Dutzende Behördenverhandlungen statt.
Von der Polizei gab es ausschliesslich negative Stellungnahmen. Aufgestachelt vom damaligen leidenschaftlichen Flexgegner, ÖVP Berzirksvorsteher Dr. Richard Schmitz.

2008 etwas hat überlebt. Seit neuestem bekämpft auch die aktuelle ÖVP Bezirksvorsteherin Dr. Ursula Stenzel das Flex. Genaugenommen unterstützt Sie einen gewissen Dr. Johann Etienne Korab. Im Brotberuf Anwalt. Dieser wohnt neben der Polizeistation Deutschmeisterplatz und hat ein grosses Problem.

Erraten!! Dieses Problem heisst Flex. Seit nunmehr 3 Jahren arbeitet Herr Dr.Korab an seinem Projekt, das Flex zu schliessen. Mit beinahe biblischem Hass versucht er, Druck auf die Gemeinde Wien auszuüben, unseren Mietvertrag zu kündigen. Seine angebliche Motivation: Seinem Sohn, wurden bei der U-Station Schottenring Drogen angeboten, eine Kotzlacke vor seinem Haus, ein Kratzer in seinem Jaguar und die Tatsache, dass er von seiner wunderschönen Wohnung aus die Dealer nächtens an der Brücke stehen sieht. Daraus zieht er die Schlussfolgerung: Schuld an all dem ist das Flex.
Bloss, seine Wohnung liegt circa 500 Meter abseits des Flex und es gibt keinerlei Beweise, dass diese Delikte von Flexgästen verübt wurden.

Wir fordern daher:

Eine Sperrstundenerstreckung für das Flex bis 6°°, wie es für eine Musikweltstadt Wien würdig wäre!

Keine Polizeirepression gegen das Flex, sondern tägliche Verfolgung der Drogendealer im Bereich Augartenbrücke!

Thomas Eller
Flexgründer & Geschäftsführer



foto www.flickr.com von malfunctional