2008/12/05

Profitabler Fußball in Krisenzeiten



















Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 3.12.2008


Die TV-Rechte sind vergeben, der Spielplan wird geändert: Verlierer sind die Amateurfußballer. Für die Profiklubs könnte die Finanzkrise zur Gefahr werden


Vergangene Woche wurde es vollzogen: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) kassiert in den kommenden vier Jahren satte 1,65 Milliarden Euro für die Fernsehrechte der Ersten und Zweiten Bundesliga. Das ist mehr als unter den widrigen Umständen erwartet worden war. Von Finanzkrise anscheinend keine Spur.

Im Gegenteil: Der Kontrakt spült den Profivereinen mit durchschnittlich 412 Millionen nach Angaben des Dachverbandes jährlich sogar sieben Millionen Euro mehr in die Kassen. Auch für die Fans vorm Fernseher bleibt prinzipiell alles beim Alten: Sie können sich Fußball wie bisher auf Premiere, ARD und ZDF anschauen.

Soweit so gut. Doch die neuen Gegebenheiten, allen voran die neuen "Salami"-Spielpläne, bringen auch Verlierer hervor: Frank Juchert, Vorsitzender des Bezirksligisten TuS Bodenteich macht sich Sorgen, weil ab der nächsten Saison ein Sonntagsspiel der Bundesliga um 15.30 Uhr angepfiffen wird und damit zur Kernzeit des Amateurfußballs. Die Allgemeine Zeitung zitiert aus einem Brief, den Juchert dem Vorsitzenden der Ehrenamtskommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Karl Rothmund, geschrieben hat: Das "Nebeneinander von Amateur- und Profifußball sichert den Amateuren Nachwuchs und Besucher, weil die Spiele nicht mit Übertragungen der Bundesliga kollidieren und dient der Kommunikation auf dem Sportplatz. Alles das wird durch eine Ausdehnung der Spielzeiten zerstört."

Letztlich sah sich auch DFB-Präsident Theo Zwanziger genötigt, laut über Ausgleichszahlungen für Amateurvereine nachzudenken: "Wird der Nachweis zweifelsfrei erbracht, sind für betroffene Vereine Ausgleichssysteme denkbar."

Unklar ist auch, was die neuen Verhältnisse für die Sportschau bedeuten werden. Zwar hat die ARD erstmals auch die Rechte für die Zusammenfassung der Sonntagsspiele erworben. Doch durch das neu eingeführte Spiel am Samstag um 18.30 Uhr, vermutlich oft ein Top-Spiel, bekommt die Sportschau zeitgleiche Konkurrenz auf Premiere.

Dirk Huefnagel hat die Entwicklungen der vergangenen Wochen sehr aufmerksam verfolgt. Huefnagel ist Vorsitzender der "S 20", der wichtigsten Interessenvertretung für Sponsoren in Deutschland. Seine Aufgabe ist es, Kunden wie adidas, Coca Cola, Telekom oder Toyota lukrative Sponsoring-Verträge zu verschaffen. "Das Samstagsspiel um 18.30 Uhr bei gleichzeitiger Zusammenfassung im Free-TV ist grundsätzlich eher kritisch zu sehen, da dies letztlich zulasten der Fans und eventuell auch der Sponsoren gehen könnte. Diese Entwicklung müssen wir genau beobachten." Verliert die Sportschau an Zuschauern, verlieren der Fußball und die Sponsoren an Reichweite.

Grundsätzlich begrüßt Huefnagel im Gespräch mit ZEIT ONLINE aber die Rechtevergabe und den neuen Spielplan. "Der Fußball wird auch weiter von der breiten Masse wahrgenommen werden." Wichtigste Währung für die Werber ist schließlich Öffentlichkeit. "Und neue Anstoßzeiten bieten die Möglichkeit, neue Sponsoring-Formate zu kreieren."

Von der Frage, wann ein Spiel wo gezeigt wird, hängen viele Dinge ab. Erläutern lässt sich das gut am FC Bayern München: Jürgen Klinsmanns Truppe ist seit Kurzem Nummer Eins in Europa – zumindest in der Frage, welche Mannschaft am meisten Geld für Trikotsponsoring erhält. Denn niemand gibt mehr Geld für Trikotwerbung aus als die Deutsche Telekom. Laut einer Studie des Kölner Instituts "Sport+Markt" erhält der Deutsche Meister 20 Millionen Euro für den Schriftzug auf den Trikots. "Sponsoren haben natürlich ein großes Interesse an der breiten Öffentlichkeit und daher an Formaten wie der Sportschau im Free-TV", sagt Stephan Schröder, Mitglied der Geschäftsführung "Sport+Markt".

Die Bundesliga liegt mit 102,9 Millionen Euro Sponsoring-Einnahmen deutlich vor ihrer Konkurrenz in anderen Ländern. Zum Vergleich: Englands Premiere League akquiriert 85,5 Millionen Euro, Spaniens Primera Division gar nur 42,2 Millionen Euro. Die Premiere League in England profitiert dagegen von traditionell hohen Einnahmen mit TV-Rechten, weit mehr als die Bundesliga.

Aus der Studie geht zudem hervor, dass die Finanz- und Versicherungsbranche mit 80,7 Millionen Euro europaweit am meisten Geld für Trikotsponsoring ausgibt. Nicht so in Deutschland. Zurzeit ist nur die Citibank bei Werder Bremen auf Spielertrikots zu finden. Versicherungen und Finanzdienstleister drucken ihre Namen in Deutschland nicht auf Trikots, sondern gleich auf ganze Stadien: Allianz Arena in München, der Signal Iduna Park in Dortmund, die Commerzbank-Arena in Frankfurt oder die Nordbank-Arena in Hamburg.

In Deutschland ist die Sponsoring-Landschaft breiter aufgestellt als in anderen Ländern, bestätigt Schröder. "Ich gehe aber dennoch davon aus, dass in den nächsten Jahren der ein oder andere Finanzdienstleister seine Verträge nicht mehr verlängern wird." Ein Grund, weshalb der europäische und auch der deutsche Fußballmarkt bis dato von der internationalen Finanzkrise noch nicht betroffen sind, liegt zum einen daran, dass Verträge längerfristig abgeschlossen werden und zum anderen an der Tatsache, dass Fußball nach wie vor eine der Topplattformen für Werbezwecke ist. "Aber die Gefahr besteht durchaus, dass, wie bei Sparmaßnahmen oft üblich, zuerst die Sponsoring-Verträge gekündigt werden, weil sie in ihrer Wirkung nur schwer messbar sind und hohe Streuverluste aufweisen.“ Für den deutschen Fußball könnte das Problem dann schlagender werden als für andere europäische Ligen.


bild flickr / wowyt

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