Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 24.10.2008 - 10:30 Uhr
In den USA steigt die Gewalt gegen homosexuelle Schüler. In Chicago soll ihnen eine eigene Schule nun Schutz bieten. Das Konzept ist umstritten
Lawrence King starb an einem Freitag im vergangenen Februar. King war 15 Jahre alt und schwul. Letzteres wurde ihm zum Verhängnis. Sein 14-jähriger Mörder, Brandon McInerney, verabscheute "Larry“ für dessen sexuelle Orientierung. Er schoss ihm während des Unterrichts zweimal in den Kopf. King hatte zwei Tage zuvor gewagt, McInerney zum Valentinstag einzuladen.
In Chicago soll nun eine Schule nur für schwule und lesbische Schüler eröffnet werden, um sie zu schützen. Der Fall Lawrence King mag zwar ein Extrembeispiel sein, doch immer mehr homosexuelle Jugendliche fühlen sich wegen ihrer sexuellen Orientierung unterdrückt.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Gay, Lesbian and Straight Education Network (GLSEN) versäumen homosexuelle Schüler in den Vereinigten Staaten drei Mal häufiger als andere Schüler den Unterricht, weil sie sich verfolgt fühlen. 86 Prozent gaben an, beschimpft worden zu sein, 22 Prozent wurden bereits körperlich verletzt. Mehr als die Hälfte der befragten Schüler (60,8 Prozent) fühlt sich in der eigenen Schule nicht mehr sicher. Und die Unterdrückung schlägt sich auch auf die Benotung nieder: Homosexuelle Schüler sind in den Vereinigten Staaten im Schnitt um eine halbe Notenstufe schlechter als ihre heterosexuellen Klassenkameraden.
Doch der Plan für den Pride Campus an der School of Social Justice ist in den USA umstritten. Gegner führen an, dass eine eigene Schule nicht dazu führen würde, Schwule und Lesben in die Gesellschaft zu integrieren, sondern im Gegenteil die Trennung noch vorantreiben würde. Sie fordern stattdessen Gesetze, die Schüler vor homophoben Übergriffen schützen sollen.
Josh Edelmann aus der Chicagoer Schulverwaltung gilt als Befürworter des Pride Campus: "Es soll keine schwule Highschool sein, aber sie ist durchaus für Kinder gedacht, die das Gefühl haben, Opfer von Angriffen wegen ihrer sexuellen Orientierung geworden zu sein.“ Es gehe einzig darum, den Kindern eine Alternative zu bieten, ihnen eine ebenso hoch qualifizierte Ausbildung zukommen zu lassen. "Wenn wir nichts unternehmen, wird es weiterhin Berichte von schlechten Noten, gewalttätigen Angriffen und sogar Morden wie dem an Lawrence King geben."
Auch in Deutschland leiden homosexuelle Jugendliche unter Diskriminierung in Schulen. Eine vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) und vom Bundesministerium für Familie in Auftrag gegebene Studie zu Einstellungen von Jugendlichen zu Homosexualität kam vergangenen September zu einem erschreckenden Ergebnis. 47,7 Prozent der befragten deutschen Jugendlichen gaben an, sie fänden es abstoßend, wenn sich schwule Männer auf der Straße küssen würden. Unter den Kindern türkischer Abstammung waren es sogar 80 Prozent.
Renate Rampf, Sprecherin des LSVD, verfolgt solche Entwicklungen mit Sorge. Eine eigene Schule wie in Chicago kann sie sich für Deutschland jedoch nicht vorstellen. "Homosexualität ist nicht nur ein Thema, das Schwule und Lesben betrifft. Es betrifft alle. Eine Sonderschule ist sicher nicht der richtige Weg.“ Bessern könnte sich die Sache nur dann, "wenn auch die Heteros mit ins Boot geholt werden“.
2008/10/24
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