2008/10/21

Tatort: Undercover in Hamburg





















Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 21.10.2008 - 14:24 Uhr



Am Sonntag ermittelt Mehmet Kurtulus zum ersten Mal als Cenk Batu im "Tatort" Hamburg. Im Rahmen der ARD-Krimiserie stellt er ein Novum dar: ein Deutsch-Türke als verdeckter Ermittler

James Bond blutet neuerdings auch mal aus der Nase. Bond-Darsteller Daniel Craig teilt nicht nur aus, sondern muss ordentlich einstecken. Batman wiederum wurde mit Christian Bale düsterer: ein von Selbstzweifeln geplagter Held. Und jetzt scheint mit Mehmet Kurtulus auch ein klein wenig Realismus im Tatort Hamburg anzukommen. In mehrfacher Hinsicht: Mit Kurtulus soll die Serie direkter, unmittelbarer werden und das Deutschland im Jahre 2008 widerspiegeln. Die von ihm verkörperte Figur Cenk Batu ist ein Deutscher türkischer Abstammung.

Wenn Kurtulus diesen Sonntag erstmals als Batu in Hamburg ermittelt, soll nichts mehr so sein, wie es einmal war. Castorff-Darsteller Robert Atzorn geht in Tatort-Rente und an seine Stelle tritt ein verdeckter Ermittler. Kein Revier, keine Kaffeemaschine, keine Pathologie, gerademal ein Kollege. Batus Revier ist die Straße. Der klassische Tatort-Tote zu Beginn einer jeden Folge fällt aus.

Das Publikum - und mit ihm die Kamera - ist immer an Batus Seite. Immer unterwegs, immer da, wo auch der Tatort ist. Als Zuschauer sieht man nicht mehr als Batu, weiß nicht mehr als Batu. In der ganzen ersten Folge (Auf der Sonnenseite, Sonntag 20.15 Uhr in der ARD) gibt es nur eine einzige Szene, in der der neue ARD-Ermittler nicht im Bild ist. Der Zuschauer wird zum Insider.

Im Fernsehen ist Batu ein Novum: Er ist der erste deutsche Kommissar mit türkischem Hintergrund. Doch ähnlich wie in Jakob Arjounis Kriminalromanen rund um den Privatdetektiv Kemal Kayankaya ist das "Türkische" allenfalls Thema, weil es andere dazu machen. Die Rolle Batus "soll sich nicht im Türkischen ertränken", sagt Kurtulus im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Sein Hintergrund soll eine Beiläufigkeit entwickeln, die sie im Alltag vielfach schon erreicht hat. Im Fernsehen wurde das bis dato kaum wiedergegeben. "Schauen Sie mal ins Fernsehen und dann aus dem Fenster. Das Straßenbild in Deutschland zeigt Menschen mit verschiedenen Hautfarben. Diese sieht man kaum."

Kurtulus spielt einen Einzelgänger ohne Büro und geregelte Dienstzeiten. Sein einziger Draht zur normalen Welt ist sein Vorgesetzter, gespielt von Peter Jordan. Ansonsten ist Batu auf sich allein gestellt. "Aus diesem Perspektivenwechsel resultiert eine künstlerisch neue Erzählstruktur und ästhetisch gesehen eine andere Bildsprache", sagt Kurtulus. Handlungsstränge werden nicht mehr haarklein erklärt. "Weniger Informationen, weniger Behauptung und eine klare, entschiedene und intime Bildsprache", sagt Regisseur Richard Huber.

Kurtuls selbst sieht diese Rolle als Katalysator für seine weitere Karriere. Er wurde 1972 in der türkischen Stadt Uşak geboren. Im Alter von zwei Jahren zog er mit seiner Familie nach Salzgitter in Niedersachsen. Sein Vater kam nach Deutschland, um hier lebenden Türken Türkisch beizubringen. In Hamburg macht Kurtulus sprichwörtlich seine ersten Schritte – beruflich und privat. Er studiert Schauspiel und erhielt seine ersten Engagements neben Hamburg in Berlin. 1997 arbeitete er mit Regisseur Fatih Akin zusammen. Ein Jahr später folgten Durchbruch und Grimme-Preis für die Rolle des läuterungswilligen Kleinkriminellen in Kurz und Schmerzlos. In Akins Gegen die Wand trat er als Koproduzent auf.

Kurtulus hat sich für insgesamt sechs Tatort-Folgen verpflichten lassen. Noch im Herbst soll die zweite Tatort-Folge mit ihm gedreht werden. Sieben Jahre wie Atzorn? "Ich glaube nicht, dass ich mich in Hamburg sieben Jahre undercover halten kann."

bild auf www.flickr.com von martin.besl

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