2008/10/19

Wer wählt noch BZÖ?

Von Martin Gantner | © ZEIT ONLINE 13.10.2008 - 17:25 Uhr

Haiders Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) versucht jetzt, politisch zu überleben. Vorbild könnte ausgerechnet die bayerische CSU werden

"Begrüßen Sie den Chefpiloten und seine Manschaft!" 564 Delegierte applaudieren als Chefpilot Jörg Haider die Bühne in der Salzburger Flughafenhalle betritt. Aus den Boxen dröhnt der Song "We Are Family". Es ist der 17. April 2005. Haider hat soeben seine neue Partei, eine neue Familie mit ihm als Oberhaupt gegründet: Das orange Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), eine Splitterorganisation seiner einstigen politischen Heimat FPÖ.

Zweieinhalb Jahre später tragen die Orangen schwarz. Haiders Nachfolger als Parteiobmann, der erst 27-jährige Stefan Petzner, sprach sodann von "Weltuntergang", andere von einer "Sonne, die vom Himmel gefallen" sei. Keiner weiß in diesem Moment, wie es ohne Haider weitergehen soll. Man ringt weniger um die Zukunft Österreichs, als um das politische Überleben der Partei und darum, Haiders letzten politischen Willen zu erfüllen: "Jörg Haider hat all seine Kraft eingesetzt, um eine Große Koalition zu verhindern. Dies werde ich weiterführen, damit die Österreicher eine Regierung bekommen, die sie verdienen", sagte Petzner nach seiner Ernennung zum Parteichef.

Bei den Nationalratswahlen vor zwei Wochen schaffte die One-Man-Show Haider noch das, was im Grunde niemand mehr für möglich gehalten hatte. Haider wurde im Vorfeld von den Medien abgeschrieben. Zu früh. Das BZÖ erreichte elf Prozent der Stimmen - fast eine Verdreifachung des Ergebnisses von 2006. Ein Erfolg, der einzig und allein auf ihn zurückzuführen war. Zwei Drittel aller BZÖ-Wähler stimmten für Haider und nicht das BZÖ.

Nach seinem Tod stellt sich für viele Funktionäre die Frage: "Wer wählt das BZÖ, wenn Haider nicht mehr da ist?" Oder bleibt man dann im besten Fall, was man die vergangenen beiden Jahre war: Eine Gruppierung, die mit Ausnahme von Kärnten in keinem Landtag vertreten ist und die keine nennenswerten Parteistrukturen aufweist – nicht auf Bundes- und schon gar nicht auf Landesebene. Und keiner möchte daran denken, was wird wenn der Haider-Faktor erst verpufft ist. „Eine Wiedervereinigung zwischen FPÖ und BZÖ wäre zum jetzigen Zeitpunkt für alle ohne Gesichtsverlust möglich", sagt der österreichische Politiologe Peter Filzmaier. "Es läuft auf die Frage hinaus: Sind die Interessensgegensätze größer als die Gemeinsamkeiten?"

Klar ist, dass eine Wiedervereinigung die Parteien zum größten Parlamentsclub machen würde. Für neuen Sprengstoff wäre gesorgt. Ist es traditionsgemäß doch die größte im Parlament vertretene Partei, die im Nationalrat Anspruch auf den Posten des Nationalratspräsidenten stellt. Heinz Christian Strache, Chef der FPÖ, hat jedoch angekündigt, als "Brückenbuaer" habe er immer "Hände ausgestreckt", eine Wiedervereinigung lehnt er aber weiter ab. Er lud gleichzeitig alle "verantwortungsbewussten Kräfte" ein, den "stabilen" Weg der FPÖ mitzugehen. Das gelte sowohl für Funktionäre als auch für Wähler.

Das Dilemma des BZÖ: Die Partei könnte in der FPÖ durchaus aufgehen, sein Personal kann das nicht. Zu tief sind die Gräben, die 2005 und in den Folgejahren gezogen wurden. Ewald Stadler vom BZÖ war es, der im vergangenen Jahr jene Bilder in Umlauf brachte, die Strache beinahe das Amt gekostet hätten. Darauf zu sehen: ein junger Strache in Tarnanzug bei Wehrsportübungen mit altbekannten Neonazis. Strache sprach von Paintballspielen und blieb.

Daher kommt eine andere Konstellation immer wieder ins Gespräch. Der Blick ist auf Bayern gerichtet. Ausgerechnet die CSU könnte künftig als politisches Rolemodel für die österreichischen Rechtsparteien dienen. Was den Bayern die CSU, ist den Kärntnern das BZÖ. Haider erlangte dort 38 Prozent der Wählerstimmen. Schon nächstes Jahr stehen im südlichsten Bundesland Wahlen an. „Das BZÖ könnte in Kärnten die FPÖ eingemeinden und die FPÖ macht dies auf Bundesebene mit dem BZÖ“, sagt Filzmaier. Das hieße jedoch, dass die restlichen Landesorganisationen des BZÖ von der politischen Landkarte verschwinden würden. Institutionell wäre das sicher kein großer Verlust, „die betroffenen Funktionäre in den Bundesländern sehen das jedoch sicher weniger abstrakt“.

Auch die anstehenden Regierungsverhandlungen betreffen die Zukunft des BZÖ. Dem politischen Willen Haiders, sein ewiges Feindbild die Große Koalition zu verhindern, dürfte vermutlich nicht entsprochen werden. ÖVP-Chef Josef Pröll hatte am Montag angekündigt, Regierungsverhandlungen mit dem Wahlsieger SPÖ führen zu wollen. Andere sprechen sich für den Gang in die Opposition aus oder, wie der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer, für eine Koalition aus ÖVP, BZÖ und FPÖ.

Doch bleibt das BZÖ ohne Haider noch unberechenbarer als zuvor mit ihm.

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