2008/11/08
US-Wahl: Zwischen Tür und Angel
Obama möchte aus den Fehlern seiner Vorgänger lernen. Die Herausforderungen sind enorm. Die Periode des Übergangs ist entscheidend für seine Regierungszeit
Noch-Präsident George W. Bush soll nicht schlecht gestaunt haben, als er 2001 erstmals seinen neuen Wohnsitz Pennsylvania Avenue 1600 betrat. Der Grund: Die Mitarbeiter seines demokratischen Vorgängers Bill Clinton hatten sämtliche "W" von den Computertastaturen des Weißen Hauses entfernt, Telefonkabel sollen aus den Wänden gerissen worden sein, nachdem man zuvor obszöne Voicemails auf den Anrufbeantwortern hinterlassen hatte.
Die Bush-Regierung sprach von einem Schaden in der Höhe von 15.000 Dollar. Clintons Leute dementierten und konterten, es handle sich bloß um den üblichen Unrat, der noch bei jedem Eigentümerwechsel im wohl berühmtesten Haus der Vereinigten Staaten angefallen sei.
Ob es dieses Mal friedlicher wird? Bush hat seinem Nachfolger Barack Obama jedenfalls bereits einen Tag nach der Wahl seine volle Unterstützung für die Amtsübergabe zugesagt und ihn ins Weiße Haus eingeladen. William Allman, Chefkurator im Weißen Haus, erklärte in einem Zeitungsinterview, dass in solchen Fällen die alte First Lady die neue First Lady auf einem Rundgang durchs Haus führen und ihr erklären würde, welche Räume, wie zu benutzen seien.
Zusätzlich zu Laura Bush soll ein 14-köpfiges Team den Obamas bei allen Fragen zu ihrem Umzug zur Verfügung stehen, gleich, ob die Fragen die Sicherheitsvorkehrungen im Weißen Haus oder banale Dinge betreffen. So gibt es genaue Vorschriften, wer wo, wann, wie, sein Auto parken darf. Dem Zufall wird in dieser Phase der sogenannten Transition nichts überlassen. Schließlich drängt die Zeit: Es ist die erste Amtsübergabe in Kriegszeiten seit über 40 Jahren. Hinzu kommen ein enormer Schuldenberg und eine drohende Rezession. Für Zahnpasta an Türklinken ist die Zeit zu knapp. Zumal das Weiße Haus 132 Zimmer, 35 Bäder und 412 Türen zählt.
Auch inhaltlich darf nichts schiefgehen: Wer die Transition verpatzt, warnt ein Experte, wem es nicht gelinge, hier die entscheidenden Weichen und den richtigen Ton zu treffen, dem misslängen auch die ersten hundert Tage seiner Präsidentschaft.
Aus diesem Grund hat sich auch Obama selbst sehr früh mit dem Tag nach der Wahl beschäftigt, zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht einmal wusste, ob er diese auch gewinnen würde. Sein Mann für diese Pläne: John Podesta. Der 49-jährige Anwalt setzt sich mit dem fünften November bereits seit dem Frühjahr auseinander. Vier Arbeitsgruppen haben ein 50 Kapitel langes Handbuch ausgearbeitet, das genau festlegt, wie die Wochen bis zum Amtseid Obamas aussehen würden. Für jene Zeit, in der aus dem President-elect am Ende ein President of the United States werden soll.
Es gilt nicht nur, erste Lösungen für eine der größten Krisen in der Geschichte des Landes auf den Weg zu bringen, es sind auch 7000 Posten und vor allem Regierungsämter zu besetzen. 70 Tage bleiben, um geschätzte 40.000 Bewerbungen durchzusehen. Bill Clinton wurde diese aufwendige Personalpolitik 1992 zu einem lästigen Problem, als sich kurz nach Amtsantritt eine seiner Rechtsberaterinnen als Steuersünderin entpuppte. 2004 wurde deshalb ein Gesetz erlassen, das die vom gewählten Präsidenten autorisierten Personen ermächtigt, bereits vor seiner Angelobung auf geheime Personendaten zuzugreifen.
Obama möchte die Fehler seiner Vorgänger auf jeden Fall vermeiden. Fehler, die Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Jimmy Carter oder eben Bill Clinton bereits vor ihm gemacht haben.
Roosevelt lehnte 1932 etwa das Angebot seines Vorgängers Herbert Hoover ab, gemeinsam nach Auswegen aus der Wirtschaftskrise zu suchen. Die Folge: Die wirtschaftliche Depression verschlimmerte sich. Zwanzig Jahre später wurde auch aus diesem Fehler gelernt, als Harry Truman seinen Nachfolger Dwight Eisenhower mit wertvollen Informationen versorgte.
Informationen, auf die wiederum John F. Kennedy keinen Wert zu legen schien. Als Kennedy am sechsten Dezember 1960 seinen Vorgänger im Weißen Haus besuchte, soll dieser ihm geraten haben, jegliche Neuorganisation von Strukturen zu vermeiden, solange Kennedy sich nicht eingearbeitet habe. Nach seinem Amtsantritt verwarf der junge Präsident den Rat Eisenhowers und änderte zahlreiche nationale Sicherheitsvorkehrungen. Zu bürokratisch lautete sein Urteil. Mit der Invasion der Schweinebucht konfrontiert, fehlte Kennedy ein eingespieltes, mit der Materie vertrautes Beratungsgremium.
Bill Clinton hingegen erlebte die Konsequenzen von falschen Personalentscheidungen. Er hatte sich für die Besetzung des Stabschefpostens über einen Monat Zeit gelassen, um sich dann für seinen langjährigen Freund Thomas McLarty zu entscheiden. McLarty war alles andere als unumstritten, nach zwei Jahren schied er als Stabschef wieder aus und war fortan nur noch als Berater tätig.
Obama hat den Posten des Stabschefs bereits zwei Tage nach der Wahl benannt. Rahm Emanuel diente ähnlich wie Podesta schon unter Clinton als enger Berater. "Change" ist damit, zumindest was die Bündelung von Kompetenzen in Obamas direktem Umfeld anbelangt, erst einmal nicht Gebot der Stunde.
bild www.flickr.com/jacii
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